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Maßvolle Konsequenzen Merkel für "vernünftigen Übergang" zu neuen Auto-Antrieben

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte setzt der deutschen Autoindustrie zu. Zieht die Politik daraus die richtigen Schlüsse? Die Kanzlerin wirbt für maßvolle Konsequenzen - und erntet Kritik.

05.09.2017, 11:40

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich ungeachtet des Diesel-Skandals gegen radikale Brüche auf dem Weg zu abgasärmeren Auto-Antrieben gewandt.

"Wir arbeiten nicht mit Verboten, sondern wir wollen solche Übergänge vernünftig ermöglichen im Blick auf die Beschäftigten und im Blick auf den technologischen Wandel", sagte die CDU-Chefin in der letzten Sitzung des Bundestags vor der Wahl.

In der Autoindustrie habe es "unverzeihliche Fehler" gegeben, betonte Merkel hinsichtlich der Abgasmanipulationen. Das berechtige aber nicht dazu, die gesamte Branche ihrer Zukunft zu berauben.

Angesichts drohender Fahrverbote in mehreren Städten wegen zu hoher Luftverschmutzung durch Dieselautos sagte die Kanzlerin: "Wir werden alle Kraft darauf lenken, dass es zu solchen Verboten nicht kommt." Menschen, die sich in gutem Glauben und von der Politik ermuntert Dieselautos gekauft hätten, müssten diese auch nutzen können. "Gegen den Diesel vorzugehen, bedeutet gleichermaßen auch, gegen die CO2-Ziele vorzugehen. Das darf nicht passieren", sagte Merkel.

Die Opposition warf der Kanzlerin zu große Nachgiebigkeit gegenüber der Autoindustrie vor. Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht nannte es blamabel, dass die Koalition nicht das Rückgrat habe, Hersteller mit Milliardengewinnen zu Abgas-Nachrüstungen zu verpflichten. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir forderte, der Diesel müsse nachprüfbar und finanziert durch die Industrie sauber werden. Die Grünen wollen ab 2030 keine neuen Autos mit Diesel- und Benzinmotoren mehr zulassen.

Mit einem Vorstoß für neue Klagerechte für Verbraucher in Fällen mit vielen Betroffenen wie dem VW-Skandal scheiterten die Grünen. Der Bundestag lehnte es mit den Stimmen der Koalition ab, noch eine erste Lesung über einen Gesetzentwurf der Grünen auf die Tagesordnung der letzten Plenarsitzung zu nehmen. Auf ein eigenes Gesetz für solche Musterklagen hatten sich Union und SPD nicht verständigen können.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) forderte wegen der grundlegenden Veränderungen in der Autoindustrie einen "Zukunftspakt für Mobilität". Die neue Bundesregierung müsse nach der Wahl unverzüglich eine "Zukunftskommission Verkehrswende" berufen, sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis am Montagabend in Berlin.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte die vom Bund in Aussicht gestellten zusätzlichen 500 Millionen Euro für kommunale Maßnahmen gegen zu hohe Luftverschmutzung. Dies sei "gut und überfällig, kann im Volumen aber nicht annähernd befriedigen", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der Deutschen Presse-Agentur. Eine Einmalspritze sei nicht ausreichend. Merkel hatte nach einem Treffen mit gut 20 Oberbürgermeistern am Montag die Aufstockung eines Fonds zugesagt - die genaue Verwendung der Mittel ist aber noch offen.

FDP-Chef Christian Lindner bemängelte, dass Merkel die Autoindustrie nicht erneut in die Pflicht genommen habe. Die Erhöhung des Fonds sei richtig. "Mir fehlt jedoch das Verständnis, warum dies allein aus Steuermitteln bestritten wird", sagte Lindner der "Rheinischen Post". Dies sei "eine falsche Form von Nachsicht gegenüber den Konzernen zu Lasten der Steuerzahler".

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