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Treffen in Berlin "Modellstädte" sollen Ideen für Bus und Bahn voranbringen

In vielen Innenstädten kommen immer noch zu viele Schadstoffe aus Auspuffen alter Diesel. Auch um Fahrverbote zu vermeiden, sollen nun weitere Projekte gestartet werden. Zünden die verlockenden Angebote?

Von Sascha Meyer, dpa 14.08.2018, 16:10
In Reutlingen sollen 100 neue Bushaltestellen und 10 neue Linien eingerichtet werden. Foto: Marijan Murat
In Reutlingen sollen 100 neue Bushaltestellen und 10 neue Linien eingerichtet werden. Foto: Marijan Murat dpa

Berlin (dpa) - Schnupper-Tickets für 365 Euro im Jahr, zusätzliche Haltestellen, extra Busspuren vorbei am Stau: Im Kampf gegen zu viele Diesel-Abgase in deutschen Städten will der Bund auch neue Ideen für einen attraktiveren Nahverkehr voranbringen - damit mehr Autofahrer in Busse und Bahnen umsteigen.

Fünf "Modellstädte" bekommen dafür bis 2020 insgesamt bis zu 130 Millionen Euro Förderung, wie Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) mitteilten. Schlagen die Projekte ein, könnten sie dann auch Vorbild für andere Kommunen mit zu hoher Luftverschmutzung sein. Umweltschützern und der Opposition reicht das bei weitem nicht aus.

Bonn und Essen in Nordrhein-Westfalen sowie Mannheim, Reutlingen und Herrenberg in Baden-Württemberg sollen nun möglichst schnell mit ihren Vorhaben starten. "Nur, wenn wir für saubere Luft sorgen, können wir auch Fahrverbote vermeiden", sagte Schulze.

Scheuer betonte: "Nur ein gut ausgebauter und preislich attraktiver öffentlicher Personennahverkehr kann überzeugen." In den fünf Städten leben zusammen rund 1,3 Millionen Menschen und Zehntausende weitere im jeweiligen Umland, die profitieren sollen. Allerdings gibt es im deutschen Nahverkehr jährlich mehr als zehn Milliarden Fahrgäste.

Konkret plant zum Beispiel Bonn als Schnupperangebot für Neukunden ein Jahresticket für das Stadtgebiet zum Preis von 365 Euro - also einen Euro für den Nahverkehr pro Tag. Tagestickets soll es für fünf Personen zum Preis für eine Person geben. Am Wochenende und bis in den späteren Abend hinein sollen Hauptlinien in dichteren Takten fahren. Für Firmen sollen die Hürden für Jobtickets gesenkt werden. Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) verspricht sich dadurch erheblich mehr Fahrgäste und will Pendler aus den Pkws locken.

In der Ruhrgebietsstadt Essen ist der öffentliche Nahverkehr bisher eine "Achillesferse", wie OB Thomas Kufen (CDU) sagte. Nun sollen Verbesserungen angeschoben werden - mit mehr Bussen und Fahrern. Auf wichtigen Linien sollen Fahrgäste während der Hauptzeiten alle fünf statt alle zehn Minuten einsteigen können. Eine Prämie soll Neukunden ein 24-Monats-Abo schmackhaft machen. Geplant sind Fahrradstraßen.

Mannheim setzt nach Worten des 1. Bürgermeisters Christian Specht auf eine Handy-App, mit der man einfach einsteigen kann, ohne sich um "Preiswaben" kümmern zu müssen. Berechnet werde nur die günstigere Entfernung nach Luftlinie. Buslinien zu großen Firmen sollen weniger Umwege fahren. Ein wichtiges Element ist auch ein neuer Umschlagplatz für Güter - vom Diesel-Lkw auf Elektrotransporter in die City.

In Reutlingen sollen 100 neue Bushaltestellen und 10 neue Linien eingerichtet werden - ein "Quantensprung", wie die 1. Bürgermeisterin Ulrike Hotz sagt. Auf einer früheren Bahntrasse soll ein Radschnellweg entstehen. Herrenberg will den Preis fürs Tagesticket von 7 auf 3 Euro senken. Auf zentralen Achsen sollen digitale Leitsysteme das zulässige Tempo auf Geschwindigkeiten zwischen 20 und 40 Kilometer pro Stunde herunterregeln. So soll es weniger "Stop and Go" geben, wie der 1. Bürgermeister Tobias Meigel erläutert.

Insgesamt sind laut Bundesverkehrsministerium 112,7 Millionen Euro verplant, der Rest soll aber im Fördertopf bleiben. Für die Jahre 2019 und 2020 gehen an Bonn 39,34 Millionen Euro, an Mannheim 28,37 Millionen Euro, an Essen 21,22 Millionen Euro, an Reutlingen 19,22 Millionen Euro und an Herrenberg 4,52 Millionen Euro. Im Sommer 2019 soll es eine erste Zwischenbilanz der Projekte geben.

Die Regierung hatte die Modellstädte auch der EU-Kommission genannt, die Deutschland wegen anhaltender Überschreitungen von Grenzwerten für Stickoxide (NOx) im Visier hat und am Europäischen Gerichtshof verklagen will. Der Bund hat auch einen Fonds von einer Milliarde Euro für Maßnahmen in stark belasteten Kommunen aufgelegt. In der Streitfrage technischer Umrüstungen älterer Wagen stellten Schulze und Scheuer eine Verständigung in Aussicht - beharrten aber auf ihren Positionen. Die Umweltministerin will solche Umbauten an Motoren, der Verkehrsminister bekräftigte seine Bedenken. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine Entscheidung bis Ende September angekündigt.

Umweltverbänden und Opposition gehen die Vorhaben nicht weit genug. Die Grünen fordern Unterstützung für alle Städte mit schlechter Luft. "Dazu muss die Bundesregierung eine Nahverkehrsoffensive starten und ein Eine-Milliarde-Investitionsprogramm auf den Weg bringen", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland (Dienstag).

Bundesumweltministerium zu Modellstädten

Pressemitteilung

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