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Dauerkrise Schäuble wirft Athen Verzögerungen bei Verhandlungen vor

Athen legt überraschend bessere Haushaltszahlen vor, als von den Geldgebern gefordert. Dennoch zieht sich die Freigabe weiterer Hilfsmilliarden hin. Das hat aber ganz andere Gründe.

21.04.2017, 17:52

Washington/Athen (dpa) - Trotz überraschend guter Haushaltszahlen Griechenlands zeichnet sich weiter keine rasche Freigabe weiterer Hilfsmilliarden für das angeschlagene Euro-Land ab.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warf Athen vor, nach der jüngsten grundsätzlichen Einigung über weitere Reformen die laufenden Verhandlungen wegen der Osterferien zu verzögern.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF), der sich bisher nicht finanziell am neuen Rettungspaket beteiligt, hielt sich zurück. Ziel sei es nicht vorwiegend, einen großen Primärüberschuss zu erwirtschaften, sondern die Wirtschaft neu zu restrukturieren, um wieder nachhaltig Wachstum zu erzielen, sagte IWF-Europachef Poul Thomsen. Die Kernfrage sei nun, wie lange der hohe Überschuss zum Schuldenabbau beibehalten werden solle. Der IWF plädiere für eine relative kurze Zeit, um Wachstum nicht abzuwürgen.

Schäuble zeigte sich verwundert, über die griechische Verzögerung. "Das hat einige überrascht, mich auch", sagte er am Freitag in Washington. Nach der politischen Grundsatzeinigung hätten die vier Geldgeberinstitutionen sofort wieder nach Athen reisen können. Dies sei aber wegen der griechischen Osterpause nicht möglich gewesen, sagte er am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF). 

Dabei wollte er sich auch mit dem griechischen Finanzminister Euklid Tsakalotos treffen. Gespräche hatte es zuvor auch zwischen Tsakalotos und IWF-Chefin Christine Lagarde gegeben. Diese seien konstruktiv gewesen, sagte Lagarde. Bei der Frage von Renten- und Steuerreformen seien zuletzt deutliche Fortschritte erzielt worden. In der nächsten Woche sollen wieder IWF-Experten nach Athen reisen.

Griechenland hat 2016 nach Angaben seines Statistikamtes einen Primärüberschuss von 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung erzielt. Bei diesem Haushaltssaldo werden die Kosten für den Schuldendienst herausgerechnet. Die 3,9 Prozent liegen über den Vorgaben der internationalen Geldgeber. Dem Vernehmen sind sie allerdings auch Folge von Einmalmaßnahmen und sollten aus Sicht etwa des IWF daher nicht überbewertet werden.

Die Eurogruppe und Griechenland hatten sich vor knapp zwei Wochen auf weitere Reformen geeinigt, damit weitere Hilfskredite aus dem bis zu 86 Milliarden Euro umfassenden dritten Rettungspaket freigegeben werden können. Die Geldgeberinstitutionen sind danach aber nicht zu weiteren Verhandlungen nach Athen gereist. Die griechische Regierung wollte zunächst die Osterferien sowie die Frühjahrstagung des IWF abwarten.  

Der IWF will erst nach der Verabschiedung der Reformen und einer Analyse über die Tragfähigkeit der griechischen Schulden entscheiden, ob er sich am dritten Hilfsprogramm beteiligt. Dies ist vor allem für Deutschland und die Niederlande unabdingbar. Ohne den IWF entfalle die Geschäftsgrundlage für das dritte Programm, sagte Schäuble und betonte zugleich: "Der IWF verzögert den Prozess überhaupt nicht."

Über mögliche Schuldenerleichterungen soll erst nach Auslaufen des dritten Hilfsprogramms im Sommer 2018 beraten werden. Der IWF pocht aber darauf, über Berechnungsweisen zu reden. Griechenland hängt seit 2010 am Tropf internationaler Geldgeber.

Der Primärüberschuss ist ein Streitpunkt zwischen dem Krisenland und seinen Geldgebern. Er blendet den - im Falle Athens immensen - Schuldendienst, also die Ausgaben für Zinsen und Tilgung laufender Kredite aus, um Fortschritte bei den Ausgaben und Einnahmen besser erkennen zu können.

Die Europäer erwarten, dass das hoch verschuldete Land auch mittelfristig einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaftet. Dann könnte Athen nach Einschätzung der europäischen Geldgeber die Zinsen für seine Schulden zahlen. Aktuell liegt die Schuldenquote bei 179 Prozent der Wirtschaftsleitung. Der IWF war bisher skeptischer.

Schäuble bekräftigte, dass künftige Rettungsprogramme in der Eurozone ohne den IWF gestemmt und zügig ein Europäischer Währungsfonds aufgebaut werden sollte. Diskutiert wird, den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem solchen Fonds auszubauen. Aber beim aktuellen Griechenland-Programm müsse der IWF an Bord bleiben, sagte Schäuble.

Scharfer Widerspruch zur Idee eines Europäischen Währungsfonds kam von der FDP. Parteichef Christian Lindner sprach von einer "roten Linie" für eine mögliche Koalition mit der Union: "Es darf keinen endgültigen deutschen Kurswechsel in der europäischen Stabilitäts- und Fiskalpolitik geben." Der IWF werde gerade von stabilitätsorientierten Ländern wie Deutschland benötigt, damit diese Staaten bei einer drohenden Vergemeinschaftung von Schulden nicht überstimmt werden könnten, sagte Lindner.

Weltwirtschaftsbericht des IWF (Englisch)