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Preise schießen weiter hoch Studie: Neuvertragsmieten stagnieren

Nach Jahren steigender Mieten sehen Immobilienexperten zumindest ein Abebben des Booms. Von einer Trendwende wollen die Forscher aber nicht sprechen. Immobilienkäufer warnen sie angesichts hoher Preise vor Herdentrieb.

Von Alexander Sturm, dpa 20.01.2020, 12:04

Frankfurt/Main (dpa) - Am heiß gelaufenen Mietmarkt in Deutschland deutet sich Studien zufolge eine Beruhigung an. Zum Jahresende 2019 sind die Neuvertragsmieten laut neuesten Zahlen des Hamburger Immobilienspezialisten F+B nicht weiter gestiegen.

Im vierten Quartal hätten die Durchschnittsmieten bei neu abgeschlossenen Verträgen gemessen am Vorquartal stagniert, wie das Unternehmen mitteilte.

Im Vergleich zum vierten Quartal 2018 beobachtete die Firma, die Städte und Gemeinden bei der Aufstellung von Mietspiegeln berät, zudem leichte Rückgänge (minus 0,3 Prozent). In einigen Städten gerade in Bayern und Baden-Württemberg seien die Neuvertragsmieten binnen Jahresfrist gefallen, darunter München (-0,6 Prozent), Ingolstadt (-0,7 Prozent) und Fellbach (-3 Prozent), so F+B.

Der Trend zu stagnierenden Neuvertragsmieten verfestige sich, sagte Geschäftsführer Bernd Leutner. Die Immobilienpreise schossen unterdessen weiter ungebremst in die Höhe. Gerade deutsche Käufer drängten trotz der kräftig steigenden Preise in den Markt.

Das Institut, das sich bei seinen Analysen auf Angebotsdaten von mehr als 30 Millionen Objekten in Deutschland stützt, hatte schon im Verlauf des vergangenen Jahres stagnierende bis leicht sinkende Neuvertragsmieten errechnet. Die Ergebnisse stehen im Gegensatz zur öffentlichen Debatte, in der angesichts der Wohnungsnot zunehmend auch radikale Regulierungen wie Mietpreisdeckel diskutiert werden.

Erst jüngst hatte das Institut der Wirtschaft errechnet, Mieten sei in vielen deutschen Landkreisen erschwinglicher geworden: Denn die Bruttolöhne von Vollzeitbeschäftigten seien im Schnitt stärker geklettert als die Neuvertragsmieten - gerade in Ostdeutschland.

Die jüngsten Zahlen von F+B bedeuten aber nicht, dass Mieter nun vollends aufatmen können: Die Neuvertragsmieten signalisieren die Richtung am Immobilienmarkt, bilden aber nur einen kleinen Teil ab. In bestehenden Verträgen stiegen die Mieten laut der Forscher weiter: Die Bestandsmieten kletterten im vierten Quartal um 0,4 Prozent zum dritten Quartal und um 1,4 Prozent zum Vorjahreszeitraum.

"Es ist zu früh, um eine Trendwende auszurufen", meint Reiner Braun, Geschäftsführer des Immobilienspezialisten Empirica. Allerdings beruhige sich die Lage. In manchen deutschen Städten stagnierten die Neuvertragsmieten über alle Baujahre - etwa in Berlin, München und Hamburg. "Der Zuzug in die Schwarmstädte flacht ab und teils hat der Neubau kräftig angezogen." In Stuttgart, Düsseldorf und Köln kletterten die Mieten jedoch weiter.

Fallende Mieten auf breiter Front seien erst in Sicht, wenn günstiger gebaut und die Nachfrage nach Wohnraum gestillt werde, sagte Braun. "Davon sind wir weit entfernt, wir produzieren ja keine Leerstände." Strenge Vorschriften, teure Grundstücke und steigende Kosten für Fachkräfte und Material trieben die Baukosten weiter hoch.

Teures Bauen spiegelt sich auch in den Daten von F+B wider. Demnach sind die die Immobilienpreise im vierten Quartal erneut viel kräftiger gestiegen als die Mieten. Eigentumswohnungen verteuerten sich im vierten Quartal um 5,4 Prozent binnen Jahresfrist und Einfamilienhäuser um 3,8 Prozent. Seit Jahren laufen die Preise den Mieten davon und zwingen viele Menschen, aus den Städten zu ziehen.

F+B beobachtet bei den Käufern indes einen Wandel: Internationale Großanleger zögen sich nach Beobachtung großer Makler teils zurück aus Deutschland. Ein Grund sei die unübersichtliche und kaum kalkulierbare Mietenregulierung, die sich auch je Bundesland unterscheide, sagte Experte Leutner. Für die satten Preisaufschläge seien vor allem Käufe aus dem Inland verantwortlich, etwa von Immobilienkonzernen, Fonds, reichen Privatanlegern und Selbstnutzern. Zu Investments in Immobilien sähen sie oft keine Alternative.

Leutner warnte vor einem "Herdeneffekt" und finanziellen Einbußen, sollten die Preise fallen. Schon oft hätten deutsche Investoren verzögert auf internationale Kapitalmarktrends reagiert und spät Immobilien ge- oder verkauft. So hätten sich zwischen 1998 und 2005 vor allem angelsächsische Fonds beim Verkauf von Werkswohnungen und öffentlichen Immobilienbeständen engagiert und hohe Gewinne gemacht.

Deutsche Anleger seien erst spät dazugekommen. "Besonders prozyklisch agiert die öffentliche Hand, die ihre Bestände aus heutiger Sicht zu Spottpreisen verkaufte, um diese nun mit enormen Aufschlägen teils wieder zurückzukaufen - teilweise auf einem Preisniveau, auf dem private Kaufinteressenten längst ausgestiegen sind", so Leutner.