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Kompliziertes Recycling Neue Aufspürmethode für Geisternetze im Test

Verloren gegangene Fischernetze sind Plastikmüll im Meer, gefährden die Meeresumwelt und über die Nahrungskette auch den Menschen. Ein Projekt untersucht, wie Geisternetze geborgen und recycelt werden können. Die ersten Ergebnisse zeigen: Es ist schwierig.

Von Martina Rathke, dpa 09.04.2018, 07:56

Sassnitz/Stralsund (dpa) - Geisternetze sind oft tödliche Fallen für Meerestiere und hinterlassen zudem unzählige Plastikteilchen im Wasser. Doch es ist sehr aufwendig, sie aus dem Meer zu holen und zu recyceln.

Die Umweltstiftung WWF hat im Rahmen des internationalen Projekts "Marelitt Baltic" verschiedene Methoden der Verwertung von geborgenen Kunststoffnetzen getestet. "Die Ergebnisse sind zum Teil ernüchternd, zum Teil ermutigend", sagte Andrea Stolte vom WWF-Ostseebüro. Auf einem internationalen Workshop in Stralsund beraten in dieser Woche rund 60 Experten über die Recycelbarkeit von Kunststoffnetzen. Vor Rügen sind neue Methoden zum Aufspüren von Geisternetzen im Test.

Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass schon die Vorsortierung und die Reinigung der aus dem Meer geborgenen Netze extrem schwierig seien, sagte Stolte. Stellnetze enthielten beispielsweise giftiges Blei, das vor der Verwertung aussortiert werden müsse. Die Polyamidfasern von Netzen würden bei der Verarbeitung zerfasern, so dass sie in der "fluffigen" Konsistenz später sehr schlecht zu Granulat einzuschmelzen seien. Organische Materialien wie Fischgräten, aber auch Sand und Schlick müssten aus den Netzen entfernt werden. Zudem müssten die Netze vor der Verwertung nach Kunststoffarten getrennt werden. Sie bestehen aus einem Mix von bis zu vier Stoffen: Polypropylen, Polyethylen, Polyamid und PET.

Es sei schwierig, das Recycling praktisch und ökonomisch vertretbar umzusetzen, sagte Stolte. Als bislang einzig vertretbare Alternative habe sich das Erhitzen und schließlich Verdampfen der Netze bei sehr hohen Temperaturen von über 1000 Grad herauskristallisiert. Nur bei diesen Temperaturen würden die organischen Moleküle vollständig aufgespalten, giftige Emissionen würden so vermieden. Durch die Zugabe von Wasser während der Reaktion entstehe ein Gas, das zur Herstellung von Wasserstoff für Brennstoffzellen genutzt werden könne.

Wie viele Netze als Geisternetze in den Meeren landen, ist schwer zu beziffern. Nach Schätzungen auf Grundlage einer Studie des polnischen WWF gehen in der Ostsee jährlich 5000 bis 10 000 Netze und Netzteile verloren, die als Plastikmüll umhertreiben, auf dem Meeresboden landen und zur tödlichen Falle für Meeresbewohner werden. Nach Angaben von Greenpeace landen jährlich bis zu 25.000 Fischernetze in europäischen Meeren. Plastik zersetzt sich sehr langsam über Hunderte von Jahren. Kleinere Stücke belasten das Meer als Mikroplastik. Die Teile können über Meerestiere in die menschliche Nahrungskette gelangen.

Das "Marelitt Baltic"-Projekt, an dem Fischereigemeinden, Forschungsinstitute und Umweltverbände aus Schweden, Estland, Polen und Deutschland beteiligt sind, untersucht seit zwei Jahren, wie die Kunststoffnetze aus dem Meer geborgen und wiederverwertet werden können und ob sie sich eventuell durch Signalgeber markieren lassen. Der WWF Polen arbeitet zudem an der Erstellung einer Karte mit Hotspots in allen vier Projektländern, auf der Orte mit besonders vielen Geisternetzen identifizierbar sein sollen.

Vor dem Workshop, der am Mittwoch beginnt, testet der WWF vor Sassnitz auf Rügen eine neue Methode zum Aufspüren von Netzen. Erstmals kommt ein sogenanntes Seitensicht-Sonar zum Einsatz, das bereits vor der US-amerikanischen Küste erfolgreich genutzt wurde, wie Gabriele Dederer vom WWF Deutschland sagte. Die US-Methode arbeite in größerer Tiefe und damit näher am Meeresboden als bekannte Sonargeräte. Untersucht wird, wie gut sich Geisternetze etwa an Steinen oder Wracks ausfindig machen lassen.

In den Jahren 2016 und 2017 seien in der deutschen Ostsee rund 5,2 Tonnen verlorene Netze geborgen worden - zum Teil mit einer  Netzharke, zum Teil durch Taucher, nachdem Fischer auf mögliche Fundplätze aufmerksam gemacht hatten. Im Vergleich zur polnischen Küste ist dies wenig. Dort waren allein mit Hilfe der Netzharke im Jahr 2015 rund 270 Tonnen Netze geborgen worden. Dass diese Methode in den deutschen Gewässern nicht so erfolgreich sei, könne damit zusammenhängen, dass sich vor der deutschen Küste die Netze nicht wie in den Gewässern vor Polen in sogenannten Hotspots konzentrierten, sagte Dederer.

Mit einem Sonar könne, so die Hoffnung, nun eine große Fläche abgescannt werden. Experten könnten dann gezielt zu den Fundorten tauchen. Bei den Tests arbeitet der WWF mit dem US-Experten Crayton Fenn zusammen, der mit dieser Methode an Geisternetzbergungen für die US-Klima- und Ozeanbehörde NOAA beteiligt war.

Marelitt Baltic