Franz Werfel vor 125 Jahren geboren
Er ist ein fast vergessener Bestseller-Autor: Franz Werfel war eine der wichtigsten literarischen Stimmen in der Weimarer Republik. Er ist noch heute für die Armenier ein Held. Für die meisten anderen nur der Ehemann der berühmt-berüchtigten Alma Mahler-Werfel.
Wien (dpa) - Die Geschichte des armen Mädchens Bernadette Soubirous hat Franz Werfel Glück gebracht. Der Schriftsteller hörte 1940 auf seiner Flucht vor den Nazis im Pyrenäenort Lourdes von der Entdeckung der dortigen Wunder-Quelle durch die Müllerstochter Bernadette.
Sollte er das rettende Amerika erreichen, werde er aus Dankbarkeit einen Roman über die spätere Heilige schreiben, nahm er sich vor. Das Lied von Bernadette wurde - sowohl als Buch wie als Film - zum Welterfolg. Es ist kein Kitsch, betont Werfel-Biograf Peter Stephan Jungk. Der Erfolg ermöglichte Werfel, als einem der wenigen Exil-Literaten, ein Leben im Luxus. Doch das eigentliche Vermächtnis des Autors, der von 125 Jahren in Prag geboren wurde, ist die Erinnerung an die Leidensgeschichte der Armenier.
Mit dem 800-Seiten-Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh - über das Massaker an den armenischen Christen im Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg - sei Werfel 1933 ein beispielhaftes, fast prophetisches Werk über Verfolgung gelungen, sagt Jungk. Die Armenier danken es ihm bis heute. Werfel ist für die Armenier heute noch ein Nationalheld. Doch zum 100. Jahrestag des Gedenkens an den von Bundespräsident Joachim Gauck erstmals so bezeichneten Völkermord im April fiel der Name Werfel kaum. Beim Gedenken an den Jahrestag wurde die Chance verpasst, Werfel als einen der ersten Zeugen in das kollektive Gedächtnis hineinzutragen, sagt die Literaturwissenschaftlerin Prof. Ilse Nagelschmidt von der Universität Leipzig.
Das ist - auch jenseits von Gedenktagen - das Schicksal Werfels: Eine der wichtigsten literarischen Stimmen der 1920er und frühen 1930er Jahre ist im Literaturbetrieb weitgehend verstummt. Er gehört nicht mehr zum Kanon, er wird an den Universitäten kaum mehr gelesen, sagt Nagelschmidt, die ein Werfel-Projekt zusammen mit der Universität Prag leitet. Die Gründe? Es sind echte Romane, für die man einen langen Atem braucht. Auch profunde Bildung könne beim Entschlüsseln der Texte nicht schaden, meint Nagelschmidt. Aber Werfel sei nicht allein. Er ist nicht der Einzige aus dem Prager Kreis, der an Bedeutung verliert. Dazu gehören auch Egon Erwin Kisch und Rainer Maria Rilke. Allein Kafka zählt noch, bedauert die Expertin.
Werfel wuchs behütet in der österreichischen Donaumonarchie auf. Als Sohn eines jüdischen Fabrikanten genoss er alle Vorteile einer gediegenen Erziehung, war fasziniert von der Frömmigkeit seiner Kinderfrau, entwickelte ein religiöses Weltgefühl und veröffentlichte schon als Schüler Gedichte. Ein Freund hat sie ohne sein Wissen an Zeitungen geschickt, erzählt Jungk. Auch dank des Kontakts mit der Instanz Karl Kraus, der ihn erst förderte und später wegen privater Gründe verdammte, konnte sich Werfel als Dichter etablieren. Der entscheidende Antrieb, auch als Romancier zu glänzen, kam von einer berühmten Frau.
Mit den Gedichten geht es nicht, befand Alma Mahler, die Witwe Gustav Mahlers und Noch-Ehefrau von Walter Gropius, bald nach dem Kennenlernen zu Werfel. Die elf Jahre ältere Frau, mit der Werfel zunächst in wilder, dann in standesgemäßer Ehe lebte, trieb ihn an. Sie hat aus Werfel einen Bestseller-Autor gemacht, sagt ihr Biograf Oliver Hilmes. Schon der erste Roman Verdi, Roman der Oper ließ die Kasse klingeln. Die Beziehung der beiden war stets spannungsreich. Sie ließ gegenüber ihrem jüdischen Ehemann keinen Zweifel an ihrer antijüdischen Haltung. Da waren die regelmäßigen Auszeiten Balsam für die Beziehung, meint Hilmes. Zumal Alma das Kaffeehaus-Leben Werfels verachtet und nur als verschwendete Zeit betrachte habe.
Die gemeinsame Flucht vor den Nazis endete im sonnigen Kalifornien, Sie haben auch in Hollywood auf großem Fuß gelebt, mit Chauffeur und Koch, sagt Hilmes. Doch Werfel war schwer herzkrank und erlag im August 1945 seinem dritten Infarkt. Kurz vorher hatte er noch mit Stern der Ungeborenen, Ein Reiseroman sein letztes Werk beendet. Es ist ein fabelhafter Science-Fiction-Roman über die Erde in 100 000 Jahren, meint Jungk und bedauert: Bei Franz Werfel denken heute die meisten: Das war doch der Ehemann von Alma.