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Lebensmittel Kühlschrankstreit in Berlin

Für überschüssige Lebensmittel gibt es an vielen öffentlichen Orten Kühlschränke. Ist in Berlin das Ende dieses Foodsharings besiegelt?

Von Gisela Gross 01.02.2016, 23:01

Berlin (dpa) Tonnenweise landen Brot, Gemüse oder Joghurt jedes Jahr im Müll – auch, weil viele Menschen beim Einkaufen nicht so genau planen. Eine Alternative zum Wegwerfen sollen die rund 300 Kühlschränke sein, die die Initiative Food-sharing seit 2012 nach und nach bundesweit aufgebaut hat. Wer noch verzehrbare Nahrungsmittel übrig hat, kann diese in den sogenannten „Fairteilern“ hinterlegen. Nun gibt es in Berlin Hygienebedenken und rechtliche Hürden, die dem Verein große Sorgen bereiten.

Behörden in anderen Städten stufen das Essensteilen durchweg als Weitergabe unter Privatleuten ein, erklärt Foodsharing. Berlin dagegen will nun von Fall zu Fall klären, ob die Anbieter eines Kühlschranks als Lebensmittelunternehmer zu sehen sind. Unter diesem Begriff definiere das Gesetz „nun einmal jeden, der Lebensmittel in Verkehr bringt, egal, ob gegen Geld, Spende oder umsonst“, sagte Berlins Staatssekretärin für Verbraucherschutz, Sabine Toepfer-Kataw (CDU). Anbieter würden als Lebensmittelunternehmer gelten, wenn die Kühlschränke auf öffentlichem Grund für jedermann zugänglich und unbeaufsichtigt seien, erläutert sie. Ob das tatsächlich der Fall ist, würden die Lebensmittelaufsichtsämter künftig „in jedem Einzelfall“ prüfen.

Sobald die Behörde zu dem Schluss kommt, heißt das: Der „Fairteiler“ hat in Geschäftsräumen zu stehen, in dem ein registrierter Verantwortlicher Buch führt über Spenden und Spender – so steht es in den Mindestanforderungen, auf die sich die Berliner Lebensmittelaufsichten jüngst geeinigt haben.

„Wenn diese Maßnahmen durchgesetzt werden, sind die Dinger tot“, sagt der Vorstand von Foodsharing, Frank Bowinkelmann. Die Auflagen gingen deutlich über bisherige Absprachen mit den Zuständigen hinaus. Man wolle Verbraucher vor möglicher Gesundheitsgefahr schützen, argumentiert dagegen die Staatssekretärin. Auch „Missbrauch/Ulk“ müsse unterbunden werden – die Rede ist in dem Papier etwa von „Salz statt Zucker“ und anderen Manipulationen. Fotos würden unhygienische Zustände in den Schränken dokumentieren: unverpacktes Brot, aufgerissene und unbeschriftete Verpackungen oder welken Salat. Ob die Kühlkette etwa bei Milchprodukten eingehalten worden sei, lasse sich nicht überprüfen.

Fälle von Lebensmittelvergiftungen oder Beschwerden sind der Staatssekretärin zwar nicht bekannt. Sie verweist auf zwei Fälle aus den vergangenen Jahren, in denen in der Öffentlichkeit Schnaps und Kekse mit Gift verteilt wurden. Diese Sicherheitsrisiken wolle man nicht eingehen.

Als Verbot möchte Toepfer-Kataw das Vorgehen nicht verstanden wissen: Nicht betroffen seien Kühlschränke auf privaten Grundstücken, wo ein geschlossener Personenkreis Nahrungsmittel teile.

Foodsharing bemüht sich nach eigener Darstellung bereits um einen möglichst sicheren Ablauf: Es gibt Putzpläne und Regeln, wonach etwa Schweinemett oder Desserts mit rohem Ei nichts im „Fairteiler“ zu suchen haben. Dass auch einmal Unappetitliches abgelegt oder eine Putzschicht versäumt wird, ist nicht auszuschließen.

Die behördliche Angst vor einer möglichen Gesundheitsgefahr hat für Frank Bowinkelmann „absurde Züge“, wie er sagt. Die Politik fordere seit Jahren ein Ende der enormen Verschwendung von Lebensmitteln. Der WWF beziffert das Ausmaß in Deutschland auf 18 Millionen Tonnen pro Jahr.

Die Idee, dass Privatpersonen, Händler und Firmen überschüssige Lebensmittel der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, anstatt sie wegzuwerfen, verfolgen Lebensmittelretter in Magdeburg unter dem Namen „Lebensmittel retten Magdeburg“. 5000 Kilogramm Lebensmittel wurden 2014 verteilt. In der Landeshauptstadt engagiert sich maßgeblich der Spielwagen e.V. für das Konzept. Dafür wurde er mit einem Sonderpreis beim Umweltpreis Sachsen-Anhalt ausgezeichnet.