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Venezuela Der lange Arm der Hisbollah

Die Islamistische Szene in Venezuela wird immer aktiver. USA war bereits unter Obama gewarnt

Von Georg Ismar, dpa 04.02.2017, 23:01

Caracas (dpa) l Venezuela hat seit Anfang Januar einen neuen Vizepräsidenten, Tareck El-Aissami. Seine Vorfahren stammen aus Syrien und dem Libanon. Und nach allem, was man bisher weiß, ist der 42-Jährige auch geschäftlich umtriebig. Nach Angaben des „Wall Street Journal“ wird in den USA wegen des Verdachts von Drogenhandel und Geldwäsche gegen ihn ermittelt. Und von Geheimdiensten und US-Denkfabriken wird er immer wieder mit der islamistischen Szene in Verbindung gebracht.

Offizielle Anfragen an die Regierung bleiben unbeantwortet. Es ist bekannt, dass die Sozialisten vor allem zum Iran enge Verbindungen unterhalten. Dieser Faktor könnte aus Sicht von Experten bei einer erneuten Eskalation des US-iranischen Verhältnisses von Bedeutung sein. Denn US-Präsident Donald Trump könnte das von Barack Obama ausgehandelte Atomabkommen wieder kündigen und auf Sanktionen setzen. Trump hat Bürger des Irans bereits mit einem Einreiseverbot belegt.

Nach dem jüngsten iranischen Raketentest verschärfte Trump massiv den Ton, sprach von einem „schrecklichen Deal“. Auch ein Militärschlag wird von der US-Seite nach Medienberichtem inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. Daher können Aktivitäten des Irans und der mit ihr verbundenen Schiiten-Miliz Hisbollah im südamerikanischen „Hinterhof“ Trump nicht schmecken. Das Center for a Secure Free Society (SFS) hatte in einer Studie ermittelt, dass in den vergangenen Jahren mehr als 170 Personen, die aus dem Mittleren Osten stammen, von Venezuela mit Papieren ausgestattet worden seien, um in Nordamerika einzureisen.

Schon seit mehr als 30 Jahren ist die vom Iran unterstützte Terror-Organisation Hisbollah vor allem im Dreiländereck Paraguay, Argentinien, Brasilien sehr aktiv – hierzu gibt es zahlreiche Geheimdienstinformationen. „Die Hisbollah sammelt hier vor allem Geld über kriminelle Geschäfte wie den Drogenhandel und über Import-, Exportgeschichten“, sagt Wolf Grabendorff, einer der führenden Sicherheitspolitikexperten für Lateinamerika. Hinweise auf konkrete Terrorplanungen gebe es aber bisher kaum. „Auch eine verstärkte IS-Präsenz ist bislang noch nicht festzustellen“, so Grabendorff.

Das US-Southern-Command, verantwortlich für die Militär-Operationen in Lateinamerika, warnte zuletzt aber vor der Gefahr einer Infiltration von Terroristen in die USA. Wie das Magazin „Foreign Affairs“ im Januar berichtete, schätze das SouthCom, dessen früherer Oberbefehlshaber Trumps neuer Heimatschutzminister John Kelly ist, dass 2015 zehn Prozent der 330 000 an der Südgrenze registrierten Migranten aus Ländern mit Terrorismusaktivitäten gekommen seien.

Eine Sorge: Länder wie Venezuela könnten sich zum Sammelpunkt für Terroristen entwickeln, die hierüber in die USA einsickern. Noch unter Obama wurde Venezuela als Gefahr für die nationale Sicherheit der USA eingestuft. Der Chef für internationale Beziehungen beim Simon-Wiesenthal-Center, Schimon Samuels, hält El-Aissami für eine Schlüsselfigur. „Er ist eng verbunden mit dem schiitischen Iran, der Terrororganisation Hisbollah und der Familie von Syriens Präsident Bashar Al-Assad.“ Konkrete Beweise hierfür gibt es aber bisher nicht.

Grabendorff, zurzeit Gast-Professor an der Universität Quito, sieht in den Warnungen und Berichten aus den USA, der Süden könnte über den Luft- und Landweg zu einer neuen Terrorismus-Schleuse in die USA werden, auch einen Vorwand, um Geheimdienstaktivitäten auszubauen.

Frei nach dem Motto: Wehret den Anfängen. So war nach dem Besuch von Präsident Barack Obama 2016 bei Argentiniens Staatschef Mauricio Macri eine intensivere Geheimdienst-Kooperation vereinbart worden. „Das wird meines Erachtens unter Trump noch intensiver werden, auch wenn er vor Wochen noch die eigenen Geheimdienste beschimpft hat.“

Mangelhafter Grenzschutz, auf Terroraktivitäten nicht vorbereitete Geheimdienste sind sicher ein Schwachpunkt. Das bisher schlimmste, nie richtig aufgeklärte Attentat in Südamerika war der Anschlag auf ein jüdisches Zentrum in Buenos Aires 1994, 85 Menschen starben. Hier hinter wurden immer wieder der Iran und die Hisbollah vermutet.

Spannend wird sein, welchen Weg Trump künftig im Verhältnis zum sozialistischen Venezuela einschlagen wird. Zumal El-Aissami bald Präsident sein könnte. Er gilt als eingefleischter „Chavista“, der hart gegen Gegner vorgeht. Schon mit 33 Jahren war er unter dem 2013 gestorbenen Hugo Chávez Innenminister. Die Opposition will ein Referendum für die Abwahl von Präsident Nicolás Maduro, unter dem das Land mit den größten Ölreserven in eine dramatische Spirale aus Rekordinflation und Mangelwirtschaft abgerutscht ist. Laut Verfassung würde bei einer Abwahl bis zur nächsten Wahl 2019 der Vizepräsident regieren. Das wäre El-Aissami – den finden viele aber noch schlimmer.