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Junge Union Ältere Menschen sollen länger arbeiten

„Je älter die Menschen statistisch werden, desto länger müssen sie arbeiten", findet der Chef der Jungen Union und provoziert damit.

31.03.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Paul Ziemiak ist 30 Jahre alt und empfindet die Rente mit 67 für seine Generation als Illusion beziehungsweise programmierte Altersarmut. Denn die Menschen lebten immer länger, die Zahl der Alten steige, die der Jungen sinke. Das Rentensystem sei so auf Dauer nicht bezahlbar. Deshalb fordert der Chef der Jungen Union, der Nachwuchsorganisation von CDU und CSU: „Je älter die Menschen statistisch werden, desto länger müssen sie arbeiten.“ Man müsse die Lebensarbeitszeit an die steigende Lebenserwartung koppeln.

„Schuften bis zum Tod“, nennt das der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte. Er ist auch erst 38 Jahre alt und wirft Ziemiak „altes, radikal neoliberales Denken“ vor. Wer Altersarmut verhindern wolle, müsse einen sozialen Aufbruch starten mit höheren Mindestlöhnen, einem gerechteren Rentensystem unter Einbeziehung der Selbstständigen, Beamten und Politiker sowie einer Anhebung des Rentenniveaus und Leistungsverbesserungen. Für Korte ist dies Realität: „Während manche Menschen bis zum Umfallen arbeiten müssen, haben andere zu wenig oder gar keine Arbeit.“ Davon habe ein JU-Vorsitzender offensichtlich keine Ahnung.

Im ersten Moment dürfte sich der eine oder andere bei Ziemiaks Forderung an die Äußerung von dessen Vorgänger Philipp Mißfelder erinnert fühlen. Zu Beginn seiner zwölfjährigen Rekordamtszeit als JU-Chef hatte Mißfelder gemeint, sehr alte Menschen, etwa deutlich über 80, sollten nicht mehr auf Kosten der Solidargemeinschaft ein künstliches Hüftgelenk bekommen. Die Entrüstung war ihm sicher. Wie sich jetzt viele über Ziemiak aufregen. So sagt die stellvertretende FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Herr Ziemiak knüpft hiermit nur an die traurige Tradition seiner Amtsvorgänger an, Alt gegen Jung ausspielen zu wollen.“

Später bekannte Mißfelder, der von frühmorgens bis spät- abends an nahezu allen Tagen des Jahres für die Politik arbeitete, dass er das so nicht wiederholen würde. Zum Entsetzen vieler Menschen starb Mißfelder 2015 an einer Lungen- embolie. Mit 35 Jahren.

Der Vorsitzende der Senioren Union, Otto Wulff, hat trotz aller Meinungsverschiedenheiten schon zu Mißfelders Zeiten den Draht zu den Jungen gehalten. Auch jetzt sagt er: „Ich bin mit der Jungen Union in engem Gedankenaustausch über die Rente.“ Aber er mahnt zur Ruhe: „Jetzt wollen wir erst einmal abwarten.“ Die Altersentwicklung in Deutschland könne sich auch wieder verändern. Man müsse den „Aspekt der Migration“ berücksichtigen. Damit setzt er auf gelungene Integration von Flüchtlingen und ihren Kindern in die Gesellschaft und damit auch in den Arbeitsmarkt.

Ziemiak hat aber noch einen zweiten Punkt: Die Menschen bekämen später nicht nur weniger Rente, sondern könnten wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank immer schlechter mit Versicherungen für das Alter vorsorgen.

Die Parteiführung reagierte nicht auf Ziemiaks Rentenforderung. Wulff (83) rät zur Ruhe. „Jetzt nicht nervös werden“, sagt der Senioren-Chef. Viele Rentner wollten gerne länger arbeiten. „Man soll doch nicht glauben, dass sich Rentner wohlfühlen bei täglichem Müßiggang.“ Und die technische Entwicklung werde auch Handwerker von schwerer körperlicher Arbeit entlasten. Vor allem aber: „Man soll die Menschen nicht unbedingt ängstlich machen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.“