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Studie Wie die Stasi West-Pakete plünderte

Eine neue Studie gibt Aufschluss über die Arbeitsweise der Stasi in den Bezirken Magdeburg und Halle.

Von Steffen Honig 20.09.2016, 01:01

Magdeburg l Insgesamt 16 Kilometer Akten sind die Hinterlassenschaft des Ministeriums für Staatssicherheit in den Ex-Bezirken Magdeburg und Halle, heute Sachsen-Anhalt. Ein immenser Fundus für die neue Länderstudie „Stasi in Sachsen-Anhalt“ des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Auf knapp 180 Seiten schildert der Band das Wirken von „Horch und Guck“ zwischen Arendsee und Zeitz von den Anfängen nach dem Krieg bis zur Auflösung des MfS im Jahr 1990.

Besonders plastisch wird die Allgegenwart der Geheimpolizei an den persönlichen Schicksalen, die in der Studie ihren Niederschlag finden. Als 1968 der Warschauer Pakt in die Tschechoslowakei einmarschierte, verfasste der Wissenschaftler Bernd Eisenfeld ein Solidaritätstelegramm an die ČSSR-Botschaft und verbreitete Flugblätter mit Lenin-Zitaten aus dem „Dekret über den Frieden“. Zu viel an Provokation: Eisenfeld kam 30 Monate hinter Gitter und siedelte 1975 in die Bundesrepublik über.

Das MfS und der Vorgänger, die Abteilung K 5 der Polizei, baute in den Bezirken Magdeburg und Halle wie überall eine flächendeckende Überwachung auf. Vor allem mit einem gewaltigen personellen Aufwand. Die ständig wachsende Größe des Gesamtministeriums ist in Abständen aufschreckend in den Band einblockt: Verfügte das MfS 1950 über 2700 hauptamtliche Mitarbeiter, waren es 1953 schon 12  630 und 1985 war die Zahl auf 84  263 gestiegen. Hinzu kamen Zehntausende Inoffizielle Mitarbeiter.

Auch in den Bezirken Magdeburg und Halle behielt das MfS alle Lebensbereiche von Wirtschaft, Politik, Kultur, Kirche und Gesellschaft bis hin zum Sport im Auge. Wie das funktionierte, musste 1986 Uwe Bardick, Torwart des 1. FC Magdeburg, erfahren. Ein IM „Uwe Bollmann“ dichtete dem Fußballer völlig unbewiesene Fluchtabsichten an. Konsequenz: Bardick wurde 1987 aus dem Kader des 1. FCM ausgegliedert. Davor setzte man dem Fußballer noch medizinisch zu: Eine Injektion sollte eine Ellenbogenentzündung nicht lindern, sondern die Symptome verstärken – auf Vorschlag des behandelnden Sportarztes, IM „Hans Stock.“

Besonders eifrig zeigte sich die Stasi bei der Postüberwachung. Zwar war das Postgeheimnis in der Verfassung der DDR geschützt. Nicht so für das MfS, dass bei der Fülle der Sendungen aber keine komplette Überwachung des Postverkehrs schaffte. Im Bereich der Bezirksveraltung Magdeburg wurden 1986/87 zehn Prozent aller Briefe, aber alle Telegramme kontrolliert. 1989 waren in Magdeburg 149 Mitarbeiter zur Postkontrolle eingesetzt. Dabei wurden Geld, Wertsachen, Briefmarken aus den Briefen genommen. Das brachte in der gesamten DDR zwischen 1984 und 1989 rund 33 Millionen DM ein. Hinzu kam das Ausplündern von Westpaketen, deren Inhalt in internen Stasi-Läden verkauft wurde, was 10 Millionen DDR-Mark erlöste.

So mühsam der Aufbau, so schnell wurde das MfS hinweggefegt. Im Herbst 1989 übernahmen Bürgerkomitees die Kontrolle der Objekte – und sicherten die Beweise, die nicht vernichtet werden konnten.