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Handwerk So wenig Meister wie noch nie

In Sachsen-Anhalt sind Nachwuchs-Handwerker rar, ihre Berufsperspektiven dafür glänzend.

10.03.2017, 23:01

Magdeburg l Erik Wilhelm hat bereits eine genaue Vorstellung davon, wie sein beruflicher Werdegang in den kommenden Jahren aussehen soll. Der 26-jährige Magdeburger möchte den Handwerksbetrieb seines Vaters in Osterweddingen übernehmen. Und einen wichtigen Meilenstein hierfür hat er bereits erreicht. An diesem Sonnabend wird Wilhelm, wie 150 weitere Nachwuchskräfte, von der Handwerkskammer Magdeburg seinen Meisterbrief erhalten. „Wer im Bereich Sanitär/Heizung eine Firma übernehmen möchte, muss Meister sein“, erzählt er.

Junge Leute wie Wilhelm gibt es von Jahr zu Jahr weniger. Im Jahr 2000 erhielten im Kammerbezirk Magdeburg noch 397 ihren Meisterbrief, mittlerweile sind es mit 150 weniger als halb so viele. Die Ursachen liegen nach Angaben der Handwerkskammer auf der Hand: Es gibt insgesamt deutlich weniger Jugendliche, die sich für Handwerksberufe interessieren.

Wie bei den Meistern hat sich auch die Zahl der Lehrlinge etwa halbiert, landesweit waren es zuletzt noch rund 10 000. Und nicht jeder, der ausgelernt hat, will Meister werden und sich selbstständig machen. Gerade in wirtschaftlich rosigen Zeiten begnügen sich viele mit einer Anstellung, scheuen vor der Verantwortung, die mit einer Betriebsführung einhergeht, zurück.

Bei Erik Wilhelm ist das allerdings anders, er möchte eines Tages sein eigener Herr sein. Und damit er den Betrieb seines Vaters später mal erfolgreich fortführen kann, will er jetzt nach der Meisterausbildung auch noch ein Betriebswirtschaftsstudium dranhängen. „Mir ist es wichtig, dass ich nicht nur ein sehr guter Handwerker werde, sondern den Betrieb auch wirtschaftlich richtig fortführen kann“, sagt er.

Die Fachkräftekrise im Handwerk hat die Politik inzwischen erkannt. Künftig will die Landesregierung junge Handwerker mit einer Meistergründungsprämie fördern. Bis zu 10 000 Euro sollen sie erhalten, wenn sie einen neuen Betrieb gründen oder übernehmen und neue Jobs schaffen. Allein für die kommenden zwei Jahre stellt das Land hierfür 2,6 Millionen Euro bereit.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) hatte zuletzt außerdem angekündigt, dass das Land Firmen-Übernahmen finanziell über Darlehen unterstützen will. Oft ist es so, dass die Nachwuchskräfte nicht die Möglichkeiten haben, eine Betriebsübernahme finanziell zu stemmen, denn für viele alte Inhaber ist ihr Betrieb quasi ihre Altersversorgung.

Die Bemühungen der Politik verfolgt Erik Wilhelm mit großem Interesse. Er hofft, dass er als junger Meister zumindest die Meistergründungsprämie erhalten wird. Schließlich möchte er mit dem Betrieb des Vaters in den kommenden Jahren weiter wachsen.

Viel vorgenommen hat sich auch Tobias Mummert. Der frischgebackene Elektrotechnikermeister arbeitet ebenfalls im familieneigenen Betrieb in Magdeburg und kann sich gut vorstellen, diesen eines Tages zu übernehmen. „Ich habe mich schon zu Schulzeiten mit Elektronik beschäftigt und habe jetzt quasi mein Hobby zum Beruf gemacht“, erzählt Mummert.

Wie im Bereich Sanitär/Heizung kann sich auch der Elektrobetrieb momentan vor Aufträgen kaum retten. „Wenn es sich nicht gerade um Notfälle handelt, dann brauchen unsere Kunden schon etwas Geduld“, sagt er. Nach Angaben der Handwerkskammer Magdeburg sind die Wartezeiten in manchen Gewerken schon auf bis zu zehn Wochen angewachsen. Und bislang deutet nichts darauf hin, dass sich die konjunkturelle Lage in nächster Zeit ändern wird.

„Ich fürchte, dass sich die Kunden zumindest in nächster Zeit daran gewöhnen müssen, dass ihre Handwerker nicht von jetzt auf gleich vor der Tür stehen“, sagt auch Erik Wilhelm. Trotz aller Bemühungen der Politik werde sich am Fachkräftemangel so schnell nichts ändern.

Experten gehen bereits jetzt davon aus, dass die Zahl der Firmenfusionen in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Wenn Firmeninhaber, die in Rente gehen wollen, keinen Nachfolger finden, bleiben ihnen schließlich nur zwei Wege: Entweder sie schließen ihren Betrieb ganz oder sie verkaufen ihn an den Mitbewerber. Die Zahl der Betriebe ist im Kammerbezirk Magdeburg bereits rückläufig. In den vergangenen fünf Jahren sind 1343 vom Markt verschwunden, zuletzt registrierte die Kammer noch rund 13 000 Unternehmen.

Und auch der Kampf um Fachkräfte wird sich verschärfen. Wer seine Lehrstellen nicht mehr besetzen kann, wird versuchen, Mitarbeiter von anderen Firmen abzuwerben.

Erik Wilhelm weiß bereits, worauf er künftig achten muss. „Wenn wir auch in Zukunft noch Auszubildende beschäftigen wollen, dann müssen wir etwas bei den Lehrlingsentgelten tun“, sagt er. Diese seien bislang relativ bescheiden. Ein nicht unwichtiger Punkt, denn junge Leute sind mobil und werden sich bei der Berufswahl auch in Zukunft daran orientieren, wie sich die Verdienstaussichten entwickeln.