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Musical Ein Feuerwerk der Gefühle

„Sugar - Manche mögen’s heiß“ hatte am Anhaltischen Theater Dessau seine umjubelte Premiere.

Von Klaus-Peter Voigt 01.11.2015, 23:01

Dessau l Glanz und Glamour, als sich der Vorhang hebt: Chicago der Goldenen Zwanziger Jahre. Auf der Bühne musiziert eine Damenkapelle. Big-Band-Gefühle machen sich im Publikum breit, die perfekte Illusion, denn die Musik kommt aus dem Orchestergraben. So furios, wie die Inszenierung beginnt, geht sie weiter. Das Gesamtkonzept ist schlüssig und kein Part zeigt wirkliche Schwächen. Stimmige Kostüme (Judith Fischer) setzen ganz auf die Zeit der Handlung, sorgen für Pep und Raffinesse.

Beim Bühnenbild beweist Moritz Nitsche ein Händchen für die Beschränkung auf sparsame Mittel. Nichts wirkt überladen und trotzdem entsteht ein sinnliches Fest für die Augen, möchte man meinen. Ihm gelingt es, große Flächen zu beleben. Das kann ein einfacher goldener Vorhang sein, dann zeigen sich die Straßen von Chicago als großes Rasterbild in Schwarz und Weiß, während ansonsten opulente, klare Farbigkeit herrscht. Als Clou der Geschichte erscheint der Bug der Yacht von Millionär Sir Osgood Fielding in voller Größe.

Generalintendant Johannes Weigand, seit dem Sommer in der Muldestadt im Amt, hat den Klassiker inszeniert und sich damit seinem Publikum vorgestellt. 

Als „Manche mögen’s heiß“ 1959 gedreht wurde, klingelten die Kinokassen. Marylin Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis spielten im Streifen von Billy Wilder die Hauptrollen, schafften es, die Komödie zum Kult werden zu lassen. 1972 dann das Musical, bei dem die markantesten Szenen übernommen wurden, wortgetreu scheinen die Dialoge „abgeschrieben“.

Johannes Weigand will an diesem Konzept nicht rütteln, und das ist gut so. Er setzt auf die Spielfreude des Ensembles, das Zusammenspiel von Solisten, Chor und Ballett. Zwei arbeitslose Musiker, Joe und Jerry – Bass und Saxophon –, suchen nicht nur einen Job, sondern müssen sich auch vor einer Gangstergang in Sicherheit bringen. Es gibt nur eine Chance, die Stadt zu verlassen: in Frauenkleidern. So lassen sich die beiden Herren als Josephine (Patrick Rupar) und Daphne (Patrik Cieslik) im Damen-Orchester engagieren und reisen mit diesem nach Florida. Sängerin Sugar (Annika Boos) als die Sängerin der Damenkapelle sucht dort im Luxushotel bei den anwesenden Millionären das Glück ihres Lebens. Ein Verwirrspiel nimmt seinen Anfang.

Längst hat sich Josephine in die hübsche blonde Sängerin verliebt. Und Daphne findet unter den Reichen ihren Verehrer Sir Osgood Fielding (Gerald Fiedler). Sie (er) spielt diesen Rollenwechsel dermaßen überzeugend, dass nicht nur der ältliche Millionär mit einem guten halben Dutzend gescheiterter Ehen von der Illusion ergriffen ist. Patrik Cieslik gelingt es, ein regelrechtes Feuerwerk der Gefühle und Illusionen zu entfachen. Als er in Osgood „frisch verliebt“ im langen rosa Kleid über die Bühne tanzt, geht das Publikum mit, nimmt ihm seine Freude ab.

Die Inszenierung lebt von solchen Kabinettstückchen. Da ist Gangsterboss Spats Palazzo, kurz Gamasche. Der Tänzer Joe Monagham füllt die Rolle aufs Prächtigste aus. Ganz im Stil der 20er Jahre steppt er sich durch das Stück, gekonnt, sehenswert, und als Höhepunkt der Steppchoreografie (Keith Wilson) bringen sich alle Gangster mit ihren mit Blechplatten versehenen Schuhen mit ein. Das Ballett agiert ansonsten nicht minder munter, und die Choreografie von Tomasz Kajdański beweist Pfiff.

„I wanna be loved by you“, der unsterbliche Monroe-Song, ist natürlich auch zu hören. Annika Boos zeigt sich dabei als eine Frau, die sich nach ein wenig Glück im Leben sehnt. Allerdings hier, wie in anderen Szenen, fehlt den Liedern generell ein wenig die Kraft und Fülle, sie überzeugen nicht auf ganzer Linie. Vielleicht nur eine Sache der Technik, die sich ändern ließe. Ansonsten: „Niemand ist vollkommen“, wie Osgood erklärt, als er erfährt, dass er sich in einen Mann verliebt hat.

Auf jeden Fall eine sehenswerte, flotte Inszenierung des neuen Generalintendanten, der den Schritt von Operninszenierungen der Vergangenheit zum Musical bravourös meisterte. Spaß und Unterhaltung ohne Ende.

Weitere Aufführungen u. a. am 8. und 14. November, jeweils 17 Uhr, am 4. und 18. Dezember um 19.30 Uhr.