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Kammerspiele Ein Fest für Mephisto

Die Kammerspiele Magdeburg spielen Goethes „Faust“ im Forum Gestaltung.

Von Kathrin Singer 28.04.2016, 23:01

Magdeburg l Dirk Heidicke, Hausautor der Kammerspieler, erweiterte seine behutsam gestrichene Spielfassung des Originaltextes um Verse im Goetheschen Stil, mit denen das Publikum charmant zu den diversen Schauplätzen im gesamten Gebäude der ehemaligen Kunstgewerbeschule gelotst wurde.

Im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen mussten sich die Premierenzuschauer bei gefühlten Temperaturen um den Gefrierpunkt zur rauschenden Walpurgisnacht und der anschließenden Kerkerszene unter sternenklarem Himmel im Innenhof des Forums.

Bis zu diesem Punkt aber gab es bereits pralles, buntes Volkstheater in allen Ecken des Hauses.

Fausts Studierstube ist einer der Hörsäle im Forum. Oliver Breite gibt einen getriebenen Faust, der in einer Mischung aus ungestilltem Forscherdrang und Midlife Crisis das Leben verpasst. Selten hat man den „Osterspaziergang“, den das Publikum fast mitsprechen konnte, so intensiv erlebt. Der vereinsamte Faust steht dabei mit Fernglas am Fenster und beobachtet das Leben „draußen“, das buchstäblich an ihm vorbeizieht. Grandios wandelt Breite auf dem Grat zwischen Verzweiflung, Rastlosigkeit und Todessehnsucht, aber auch bitterem Spott auf das sich vergnügende Volk.

Kongenial tragikomisch dazu Beate Fischer als weiblicher Wagner, eine attraktive, aber etwas scheue Assistentin, deren Annäherungsversuche von Faust wahrscheinlich schon seit Jahren übersehen werden.

Dass Faust sich auf den Pakt mit dem Teufel einlässt, ist angesichts des Volkes, das von der Schülertheatertruppe „Spielpause“ des Norbertus-Gymnasiums sowie den Profis vorgestellt wird, fast verständlich: ordinär, laut, mit Hinweis darauf, dass man sich „weit hinten in der Türkei“ die Köpfe einschlage, während zu Hause alles beim Alten bleibt, verblüffend aktuell.

Wie aus der Zeit gefallen dann Mephisto, ein Fest für Susanne Bard, die den Teufel mit Halbglatze, Hornansätzen, rotem Wallemantel und beschlagenem Schuh zur Freude des Publikums regelrecht zelebriert! Sie ist der Zeremonienmeister, der zuweilen arg gestresste Spielmacher, der die Fäden zieht. Mit viel Slapstick – ja, Susanne Bard kann auch Pudel spielen! – und manchmal etwas dick aufgetragenem komödiantischem Strich spielt sie wie um ihr Leben, geht es doch schließlich um nichts Geringeres als die Herrschaft im Himmel.

Zart und unschuldig dagegen Friederike Walter als Gretchen, schön ausgearbeitet ihre Wandlung vom naiven, erstmals verliebten Mädchen zur schließlich in den Wahnsinn getriebenen Ausgestoßenen.

Die vor allem auch für Schulklassen zu empfehlende Inszenierung unter der Leitung von Michael Bard lebt zu großen Teilen von der geschickten Kombination von Laiendarstellern und Profis. Neben der schon genannten Schultheatertruppe sorgte die Gehörlosentheatergruppe „Handwerk“ für die schaurige Stimmung in der Walpurgisnachtszene. Aber auch Kevin Schulz, Geraldo Baiano und Felix Fabian Hallmann machten in diversen kleineren Rollen eine gute Figur.

Großer, verdienter Applaus in klirrender Kälte. Glühwein dringend empfohlen!

Weitere Vorstellungen vom 30. August bis 3. September. Karten unter www.kammerspiele-magdeburg.de