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Gefeierte Premiere zum Kurt-Weill-Fest für "The Beggar´s Opera/Polly" am Anhaltischen Theater Satirisches Spiel um den Frust am Theater

Mit Ovationen gefeiert wurde am Sonnabendabend die ausverkaufte Premiere
von "The Beggar`s Opera/Polly" am Anhaltischen Theater Dessau. Wie
schon in den Originalen praktiziert, greift Regisseur André Bücker in
seiner Fassung Aktuelles kritisch auf.

Von Helmut Rohm 24.02.2014, 01:30

Dessau-Roßlau l "Wir wollten gar nicht betteln, sondern spielen. Doch braucht der Mensch auch Brot, nicht nur Applaus... Mit uns ist Kunst zu machen, mit Euch kein Staat", heißt es in dem während der Protestaktionen der vergangenen Monate zur Hymne gewordenen Lied "Wenige von vielen" gegen die kulturellen Kürzungspläne der Landesregierung.

Betroffen ist davon das Anhaltische Theater Dessau. Hier bekommt die Inszenierung der 1728 uraufgeführten "The Beggar`s Opera" von John Gay und Christoph Pepusch zusammen mit der damals zunächst verbotenen Fortsetzung "Polly" als Beitrag zum Kurt-Weill-Fest eine besondere Brisanz.

Regisseur André Bücker erzählt die Originale, aus denen auch das Lied stammt, jedoch in einer ganz speziellen Dessauer Fassung. Ungemein zeitkritisch und höchst aktuell, dabei aber auch persiflierend, satirisch und parodistisch - ebenso wie damals gesellschaftliche Zustände entlarvend und schonungslos anklagend.

Das Dessauer Schauspielensemble möchte "The Beggar`s Opera" aufführen, die die Story vom Bettlerkönig Peachum und dessen Tochter Polly erzählt. Sie hat den Wegelagerer Macheath aus dem Gefängnis befreit und gar, gegen den Willen der Eltern, heimlich geheiratet. Spannende Geschehnisse mit Liebe und Eifersucht, Verrat und Verbrechen, Verwicklungen und Überraschungen sind zu erwarten.

Viele Passagen basieren auf Originalaussagen

Sie kommen auch - doch irgendwie anders, als vom Stück her vermutet. Der Zuschauer gewöhnt sich schnell an das vom Inszenierungsteam um Regisseur André Bücker praktizierte Darstellungsprinzip: Wechsel zwischen Dessauer Theater- und Stadt-Realität sowie Theaterspiel auf der Bühne und auch deren Verschmelzung. Alles spielt sich vor einer Plattenbau-Fassade ab.

Es wird sowohl mit Klarnamen der Schauspieler als auch alternierend mit denen der Rollenfiguren agiert. Klare Ansagen auch bei der Benennung der angstmachenden Zustände. Für den Theater-Gegenpart haben die Dessauer die Figur Mr. Hopeman "erfunden". In ihm spiegeln sich konkrete Personen, deren Ansichten und "Argumente". Es ist beklemmend, wenn Hopeman, der "Mann vom Lande" für "das Grobe", seine von Zynismus geprägten Vorschläge ausposaunt, wie "tagsüber betteln gehen und abends ein bisschen Theater spielen", oder hochnäsig "mehr Effizienz und Kreativität" einfordert. Viele Passagen basieren auf Originalaussagen Verantwortlicher bei Land und Kommune.

In "Polly" nach der Pause bieten die Dessauer Theatermacher dem Publikum einen farbenfrohen Kostümrausch, "schiffbrüchige Mädchen", Piraten und Indianer und personenreiche Aktionen...

Der vierstündige Theaterabend lebt vom Zusammenwirken vieler derzeitiger Dessauer Theaterbereiche. Da ist es schon sehr bedrückend, wenn das bis dahin toll mitwirkende Ballett durch den Seitengang "entsorgt" wird.

Mit bewundernswertem Einsatz präsentiert das ebenfalls zur Abwicklung vorgesehene Schauspielensemble seine künstlerische Qualität in bester Verschmelzung von prallem Spiel und gekonntem Gesang. In "Polly" wandern die Schauspieler in eine neue Welt aus...

Im stimmigen Outfit dirigiert Daniel Carlberg ein Barockorchester der Anhaltischen Philharmonie und die Band "l´arc six". Christoph Reuter und Cristin Claas komponierten moderne Musik im reizvollen Kontrast zu Pepusch.

Die nächsten Aufführungen sind am 2. und 15. März.