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Flüchtlingsstrom Vermieter setzt Kundin vor die Tür

Ein Ferienheim-Besitzer aus Sorge, der 150 Flüchtlinge aufgenommen hat, steht in der Kritik. Der Mann hat eine bestehende Buchung storniert.

Von Dennis Lotzmann 17.10.2015, 01:01

Sorge l Einen runden Geburtstag möchte man gebührend feiern. Mit Familie und Freunden und gern auch etwas größer. Ein Wunsch, den auch eine Frau aus Ilsenburg (Name ist der Redaktion bekannt) hatte, die Mitte September ihren runden Ehrentag begangen hat. Um 20 Gäste nach der Feier am 12. September unterzubringen, buchte sie am 24. August insgesamt acht Zimmer im Ferienheim „Sorgenfrei“ im Oberharzer Ortsteil Sorge. Nach der Buchung, die über das Online-Portal „Booking.com“ erfolgte und von dort per E-Mail bestätigt wurde, habe es auch persönliche Absprachen mit Mitarbeiten sowie dem Eigentümer des Hauses gegeben, um weitere Details zu klären, berichtet die Frau.

„Aus meiner Sicht war damit alles klar geregelt. Auch unseren Wunsch, am Abend noch an der Hotelbar zusammenzusitzen, hatte ich verabredet“, so die Ilsenburgerin. Um so heftiger sei sie aus allen Wolken gefallen, als sie rund 48 Stunden vor der gebuchten Übernachtung – am Donnerstag, 10. September – vorsorglich nochmal im Heim anrief.

„Der Betreiber zeigte sich plötzlich völlig überrascht und verwies auf eine E-Mail, die er mir schon am Dienstag gesandt habe.“ Die Ilsenburgerin schaute in ihrem Postfach nach und fand tatsächlich eine Nachricht: Die Stornierung ihrer Buchung durch das Ferienheim. Begründung: Das Land habe das Haus komplett belegt (siehe Abdruck). Dort sind seit Anfang September Flüchtlinge untergebracht, um die überbelegte Zentrale Anlaufstelle in Halberstadt zu entlasten.

Die Darstellung der Betreiber zur Flüchtlingsunterbringung bestätigt ein Sprecher des Innenministeriums allerdings nur teilweise: „Das Objekt wurde dem Land als Unterbringungsmöglichkeit durch den Betreiber angeboten. Inwieweit hier bereits bestehende Verträge (Buchungen) mit Dritten bestanden, entzieht sich unserer Kenntnis.“ Letztlich sei es Sache des Betreibers, wie er Buchungen mit anderen Vertragsparteien regele.

Offenbar eher lax, wie der Eigentümer des Hauses gegenüber der Volksstimme erkennen lässt: Er kenne weder diese Frau noch den besagten Vorgang, erklärt er trotz der existierenden schriftlichen Kontakte. „Außerdem habe ich Hausrecht“, betont er und rechtfertigt damit seine Stornierung.

Stornierungen seitens der Anbieter sind laut Geschäftsbedingungen der Buchungsplattform „Booking.com“ allerdings nicht vorgesehen. Was ein Mitarbeiter im Booking.com-Callcenter in Amsterdam bestätigt: Während Kunden Buchungen oft vergleichsweise kurzfristig stornieren könnten, sei das Anbietern nur bei irrtümlichen Überbuchungen oder offensichtlichen Fehlern möglich, heißt es. „Wenn sich ein Hotelier verschreibt und das Zimmer für fünf statt 50 Euro anbietet und so über Nacht ausgebucht ist, liegt ein solch offensichtlicher Fehler vor.“ Das dürfte hier ausscheiden – die Buchungszusage erfolgte knapp drei Wochen vor dem gewünschten Übernachtungstermin. Obendrein spricht die Kundin von weiteren Kontakten. Etwaige Irrtümer hätten sich weit früher als vier Tage vor dem Termin feststellen lassen.

Für die Ilsenburgerin blieb es freilich nicht bei dieser bösen Überraschung. Nachdem ihr Sohn nach der geplatzten Buchung einen kritischen Hinweis auf der Facebook-Seite des Ferienheims formulierte hatte, antwortete dessen Team und unterstellte der Familie „arge Probleme mit der Flüchtlingsproblematik“ (siehe Fotos).

Hierzu will der Heimeigentümer nichts sagen: „Ich habe diesen Eintrag nicht geschrieben und kenne ihn nicht.“ Er findet sich aber auf der Facebook-Seite seines Hauses.

Die Erfahrung, die die Ilsenburgerin machen musste, deckt sich mit den Ergebnissen der Volksstimme-Recherche. Auch hier reagierte der Heimbesitzer auf kritische Nachfragen sofort mit flüchtlingsfeindlichen Unterstellungen.

Das Land hat indes Schwierigkeiten, dem Wunsch der Volksstimme nach Transparenz zu entsprechen. Ein Fragenkatalog wurde am Mittwochmittag nur teilweise beantwortet. Zu vertraglichen Details wie der Laufzeit, der Zahl der Flüchtlinge und den Zahlungen des Landes an den Heimbesitzer könne nur das Finanzministerium Auskunft geben, hieß es aus dem Innenministerium.

Im Finanzressort stellte man nach 48 Stunden am Freitagmittag fest, dass doch das Innenministerium den Vertrag geschlossen habe. 150 Flüchtlinge seien untergebracht, hieß es dort später. Zur Höhe der Zahlungen an den Heimbetreiber gab es trotz mehrfacher Nachfrage keine Auskunft.