1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Jedes dritte Löschauto ist zu alt

Feuerwehr Jedes dritte Löschauto ist zu alt

Die Stadt Osterwieck hat noch keinen Beschluss über den Brandschutzbedarfsplan gefasst. Das soll jetzt im Dezember erfolgen.

Von Mario Heinicke 21.11.2015, 00:01

Stadt Osterwieck l Die Unzufriedenheit brachte ein „Uniformenmeer“ von Feuerwehrleuten kürzlich in einer Sitzung des zuständigen Stadtratsausschusses zum Ausdruck. „Es ist ein totaler Irrsinn, eine gut funktionierende Feuerwehr kaputt zu machen“, sagte Osterwiecks Ortswehrleiter Jens Mönnekemayer, falls ein Löschauto abgezogen wird.

Schauens Ortswehrleiter Steffen Richardt schimpfte über die Löschwassersituation in seinem Dorf. „Das ist totaler Wahnsinn.“ „Die Stadt hat es verschlafen, Geld in Feuerwehrfahrzeuge zu stecken. Das ist traurig“, warf Berßels Ortswehrleiter Thomas Schunk ein.

„Manche Bürgermeister haben lieber ihr Schloss saniert, obwohl das Feuerwehrauto über 30 Jahre alt ist“, sagte Erwin Marchlewsky (CDU), Ortsbürgermeister von Schauen und Feuerwehrmann. Er forderte von den Ausschussmitgliedern: „Sorgen Sie dafür, dass die Investitionspauschale für die Pflichtaufgabe der Feuerwehr verwendet wird.“

Zur Erklärung: Die Investitionspauschale kommt vom Land, beträgt eine halbe Million Euro und ist das einzige Geld, das die Stadt überhaupt in Investitionen stecken darf – einschließlich aller Bauvorhaben.

In der Osterwiecker Stadtfeuerwehr mit ihren 18 Ortswehren gibt es einen Investitionsstau. Das bestätigt Stadtwehrleiter Frank Kenzig. Die 74-seitige Risikoanalyse und Brandschutzbedarfsplanung bringt das ebenso klar zum Ausdruck. Offensichtlich größtes Problem sind die Fahrzeuge. Ein Drittel aller Löschgruppenfahrzeuge ist überaltert, das älteste ist gar 51 Jahre alt. Was heißt überaltert? Bei Löschautos wird mit einer Nutzungsdauer von 30 Jahren gerechnet, für Kleinbusse zum Beispiel mit 20-jähriger Dauer.

Die an sich auszumusternden Autos stehen in Berßel (Nutzungsdauer abgelaufen 1994), Hessen (2002), Hoppenstedt (2011), Osterode (2010), Rhoden (2005), Rohrsheim (2012) und Zilly (2008). Dazu kommt noch ein Kleinbus in Schauen (2011).

Eine kontrovers diskutierte Lösung könnte ein „Karussellverfahren“ ein, wie es Bühnes Ortswehrleiter Claus Brasche nannte. Er selbst vertritt übrigens den Standpunkt, dass das keine Probleme löst. So war überlegt worden, ein Fahrzeug aus Dardesheim, wo zwei Autos stehen, nach Rohrsheim umzusetzen. Ähnliches befürchten die Osterwiecker, die eines ihrer beiden Löschfahrzeuge nach Berßel geben sollten, wo das Uralt-Auto von 1964 steht.

Auch wenn die Stadt Osterwieck auf Kreisebene hinterherhinkt, bereits seit vier Jahren arbeitet die Stadtverwaltung an dem Papier. Sehr aufwändig war es, zunächst einmal alle Daten aus den 18 Ortswehren zusammenzutragen. Um einer Befangenheit aus dem Weg zu gehen, hat die Verwaltung einen externen Fachmann mit der Analyse der Daten beauftragt. Parallel dazu beschäftigte sich eine zehnköpfige Arbeitsgruppe aus Feuerwehrleuten mit dem Papier.

Rainer Walther ist der externe Fachmann. Der Leipziger war ebenfalls jüngst im Ausschuss zu Gast und brachte seinerseits Unmut zum Ausdruck: „Wenn man eine fachliche Meinung haben will, muss man sie auch akzeptieren.“ Das Problem der Osterwiecker aus seiner Sicht: Sie würden sich nicht als Feuerwehr einer Stadt sehen, was sie aber seit Bildung der Einheitsgemeinde sind.

Walther legt in seiner Auswertung den Finger in eine andere Wunde: die personelle Situation. Die 18 Ortswehren haben 367 Einsatzkräfte, von denen am Tage (6 bis 18 Uhr) in der Regel nur 65 verfügbar sind. Es dürfen lediglich 125 Kräfte mit Atemschutzgeräten arbeiten, davon sind tagsüber im Schnitt nur 30 da. Die gesetzliche Mindestforderung einer Staffelbesetzung tagsüber wird lediglich von den Ortsfeuerwehren Dardesheim, Lüttgenrode und Zilly erfüllt. Selbst außerhalb dieser Zeit nur bei zehn der 18 Wehren.

Insgesamt fehlen ausreichend Führungskräfte und Atemschutzgeräteträger. Letztere gibt es zu wenige in Berßel, Hessen, Hoppenstedt, Osterode, Osterwieck, Rhoden, Suderode, Veltheim, Wülperode und Zilly. Wobei die Feuerwehren Osterode und Wülperode überhaupt keinen Kameraden haben, der unter Atemschutz arbeiten darf. Im Brandfall sind sie also zwingend auf Hilfe von außerhalb angewiesen.

Vor Investitionen müsse daher die personelle Entwicklung bewertet werden, stellt Walther fest.

Unabhängig davon sieht der Gutachter für Osterwieck die Erfordernis, ein Drehleiterfahrzeug zu beschaffen – wegen der vielen höheren Gebäude im Ort. Das allerdings kostet selbst mit Fördermitteln mehr als die halbe Investitionspauschale der Stadt – und würde wohl nicht in das vorhandene Gerätehaus passen.

Einige Kernaussagen hält das Papier bereit: Alle 18 Ortsfeuerwehren haben Bestand. Die Stadtfeuerwehr soll in zwei Abschnitte Ost und West aufgeteilt werden. Derzeit wird keine Beschaffung von Löschfahrzeugen vorgeschlagen, aber auch keine Technik­umsetzung. Stattdessen sei es eben erforderlich, die personelle Entwicklung zu bewerten und auf dieser Grundlage zu entscheiden.

Der Ausschuss hat dem Papier übrigens zugestimmt. Nicht nur der Abgeordnete Ulrich Simons (CDU) hob das außerordentliche Engagement der Feuerwehrleute hervor, „obwohl sie ständig enttäuscht werden“. Derzeit wird das Papier in den Ortschaftsräten beraten, am 10. Dezember kommt es in den Stadtrat. Und auch danach ist es kein Dogma, sondern wird alle zwei Jahre aktualisiert. Risikoanalyse und Brandschutzbedarfplan werden übrigens auch gefordert, um an Fördermittel kommen zu können.