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Stadtsanierung Das „Filetstück“ bleibt weiter liegen

Schon lange läuft die Osterwiecker Altstadtsanierung, und ebenso lange steht das Gasthaus „Zur Tanne“ oben auf der Prioritätenliste.

Von Mario Heinicke 03.01.2016, 00:01

Osterwieck l „Bei uns ist die Puste raus“, sagte Reinhardt Gebbert. Zusammen mit Thomas Nentwig hat er über acht Jahre versucht, die Sanierung in Gang zu bringen. Viel Kraft haben beide in das Vorhaben gesteckt, auch wenn sich sichtbar nichts getan hat. Die Kraft steckt in Planungen, Anträgen, Verhandlungen und letztendlich für die Eigentümer zwei bitteren Erkenntnissen. Zum ersten können sie diese große Investition mit der angebotenen Unterstützung nicht stemmen. Zum zweiten „schlittert der nächste Eigentümer nicht ins Ungewisse“, wie Thomas Nentwig sagte. Nach seinen Worten seien sie bereits die achten Eigentümer, die letztendlich an der Finanzierung gescheitert seien. Und dem seit 1977 leer stehenden „Filetstück“ der Osterwiecker Altstadt geht es schlechter denn je.

Es handelt sich bei der „Tanne“ um ein Objekt, das historisch eigentlich aus vier Häusern besteht – die Rosmarinstraße 7 bis 10. Dabei hatten sich die Eigentümer nicht in ein unüberschaubares Abenteuer eingelassen. Nentwig ist Zimmermann von Beruf, als vom Fach. Ein Architekt hatte ihnen Mut bemacht, das Vorhaben anzugehen und das Objekt von der Stadt zu kaufen, die es wiederum von dem vorherigen Eigentümer zurückgeholt hatte. 2008 wurden Gebbert und Nentwig Eigentümer.

1,6 Millionen Euro sollte die Sanierung nach der Planung des Architekten kosten, dafür standen über 50 Prozent Fördermittel in Aussicht, über 850 000 Euro. Eine äußerst hohe Förderquote für ein privates Bauvorhaben. Eine Summe, die die Stadt zuletzt meist nicht mal als Jahresbudget für alle Sanierungsvorhaben in der Altstadt zur Verfügung hatte.

Doch die Banken sahen immer noch eine Finanzierungslücke. 2011 hatten Gebbert und Nentwig nach eigenen Aussagen die Finanzierung geklärt, allerdings hatte die Stadt bereits im Vorjahr die Weichen für die Sanierung des „Bunten Hofs“ gestellt. Der Fördertopf war damit vorübergehend quasi leer.

Von einem Geldinstitut wurde indes inzwischen angezweifelt, ob die geplanten 1,6 Millionen Euro Baukosten wirklich reichen würden. Damit wollte man die Eigentümer aus Erfahrung vor möglichen nachträglichen Kosten schützen, die sehr wahrscheinlich auch nicht in voller Höhe hätten gefördert werden können. Im Raum habe eine Sanierungssumme von 2,5 Millionen Euro gestanden, sagte Nentwig.

Und es gab die Empfehlung, einen anderen Architekten zu nehmen. Das taten die Eigentümer. Heraus kamen nun sogar 3,7 Millionen Euro Baukosten. Eine nochmalige Steigerung, die laut Nentwig ihre Gründe hat. Es handele sich ähnlich wie beim „Bunten Hof“ um eine energetische Sanierung, der Baugrund sei mit einbezogen worden, damit das Haus nicht wie anderswo absackt. Es seien wirklich alle Eventualitäten berücksichtigt worden. 14 altersgerechte Wohnungen seien geplant, die Ausführung in drei Abschnitten vorgesehen.

Seit zwei Jahren liegt die neue Planung vor. Die Hoffnung, dass die Stadt ihre Förderung erhöht, erfüllte sich nicht. Sie bleibt bei der Fördersumme, die nun aber nur noch ein Viertel der Baukosten umfasst. „Wir bräuchten drei Millionen Euro Fördermittel“, spricht Reinhardt Gebbert nicht um das Finanzierungsproblem herum. Nentwig und Gebbert baten Stiftungen und andere Quellen um Unterstützung. Aber ohne Aussicht auf Erfolg, wie sie erfahren mussten.

Im Herbst saßen Vertreter von Denkmalschutzbehörden, Kommune und die Eigentümer am Tisch, um auszuloten, was nun aus der Sanierung wird. Im Ergebnis war die Einsicht der Eigentümer da, das Haus zurückzugeben. Große Enttäuschung hatte sich bei ihnen in diesen Jahren aufgestaut. Über ihren ersten Architekten mit seiner zu niedrigen Kalkulation, aber auch über die Stadtverantwortlichen.

Letzterer Ärger spitzte sich vor Weihnachten in einem Gespräch mit Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Buko) zu. Sie bot den Eigentümern an, die „Tanne“ zurückzukaufen – für einen Euro. So wie sie auch die Objekte Kapellenstraße 9 und Mittelstraße 8 für einen symbolischen Euro angekauft und mit Erfolg an Investoren weiterveräußert hatte.

„Das ist eine bodenlose Frechheit“, schimpfte Reinhardt Gebbert. Weil den Eigentümern in dem Gespräch vorgehalten worden sei, sie hätten seinerzeit den Kaufpreis von 15 800 Euro nicht gezahlt. „Wie sind wir denn dann ins Grundbuch gekommen?“, schüttelte Nentwig den Kopf. Auch mit dem seit 2008 erlittenen Wertverlust der „Tanne“ sei argumentiert worden. „Ich wusste gar nicht, dass das Haus so viel an Wert verlieren kann. Wir haben viele Male die Löcher in den Ziegeln geflickt. Wenn wir nicht gewesen wären, wäre das Haus schon nicht mehr da.“

Der Kaufpreis bestand seinerzeit aus mehreren Teilen. So gibt es außerdem Streit um einen Teilbetrag, der noch vom Voreigentümer stammte, den die jetzigen Eigentümer nicht voll beglichen haben. Damit in Verbindung um Spenden aus den Dreharbeiten zum „Goethe“-Film in der „Tanne“, die die Stadt von den Eigentümern vereinnahmt hatte.

Osterwiecks Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Buko) wollte sich auf Volksstimme-Anfrage mit dem Verweis, dass man sich in den Verhandlungen befinde, eigentlich gar nicht zu der Thematik äußern. Mit dem Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrates sei das erste Verhandlungsangebot abgestimmt gewesen. Den Kaufpreis hätten die Eigentümer seinerzeit doch bezahlt, habe sie inzwischen nochmal recherchiert. Mitte Januar tage der Ausschuss wieder, danach werde es ein neues Angebot an die Eigentümer geben.

„Wir können nicht zugucken, wie das Objekt verfällt. Es ist einmalig für Osterwieck“, erklärte Wagenführ das Inte­resse der Stadt. Ziel sei es, für die „Tanne“ einen neuen Investor zu finden.

Aber auch der hätte wieder das Problem der Finanzierung.