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Berufsfindung Experiment gelungen

Schraubernachmittage als Werbung. Zwei Harzer Firmen suchen auf neue Art Nachwuchs.

Von Mario Heinicke 08.04.2016, 09:00

Berßel. Es war Anfang Februar, als Vertreter aus Wirtschaft, Bildung und Politik in Berßel zusammensaßen und überlegten, wie Unternehmen und Schüler bei der Berufsfindung besser zueinanderkommen. Es gab ein konkretes Ergebnis: Die Firmen Claas und Landboden, auf einem Grundstück in Berßel ansässig, veranstalten für interessierte Dardesheimer Sekundarschüler Schraubernachmittage.

Jetzt läuft dieses Experiment, das so neu überhaupt nicht ist. Denn am Sitz der Firma Claas, nahe Braunschweig, sind gemeinsame Projekte mit der dort ansässigen Schule gang und gäbe. Mit dem Ergebnis, dass sich der Landwirtschaftstechnikbetrieb vor Bewerbungen auf seine Ausbildungsstellen quasi gar nicht retten kann. Während in Berßel bisher Bewerbungen rar waren.

Doch das könnte sich ändern. Elf Neuntklässler nehmen an den Schraubernachmittagen in Berßel teil. Eine große Zahl, mit der Artur Mahlke vom Aus- und Weiterbildungszentrum (AWZ) Halberstadt vorher nie gerechnet hätte.

Das AWZ kennt die individuellen Eignungen der Dardesheimer Schüler aus seinen Berufsorientierungstagen, die ab Klassenstufe 7 stattfinden, sehr genau. In mehreren Berufsfeldern können sich die Schüler dabei ausprobieren, meist in den Werkstätten des AWZ.

Unter den Dardesheimer Neuntklässlern wurde im Ergebnis elf Schülern das Angebot unterbreitet, an den insgesamt vier Schraubernachmittagen in Berßel teilzunehmen. „Das hat mich überrascht: Alle elf haben zugesagt, das sind 100 Prozent“, sagte Mahlke. Und darüber hinaus gab es sogar noch weitere Interessenten, die in einem späteren Kurs berücksichtigt werden sollen. „Das Autohaus Osterwieck hat auch Interesse signalisiert.“

Am Mittwoch gab es das dritte Treffen. An den Nachmittagen haben die Schüler, aufgeteilt in zwei Gruppen, in jeder der beiden Firmen einen Fachmann zur Seite. Sandro Wais ist Landmaschinenmechaniker und Meister bei Claas. Mit den Schülern nimmt er einen Motor auseinander und setzt ihn wieder zusammen. „Zerlegen geht immer schneller“, erklärte er. Einmal ist die komplette Prozedur schon erfolgreich gelaufen. Ohne dass nach dem Zusammenbauen eine Schraube übrig blieb, wie er bestätigte. Jetzt ist die zweite Gruppe dran.

Die Claas-Techniker haben sich auf die Schüler gut vorbereitet. Für den ausrangierten Motor, er stammte aus einem Siloking-Futtermischwagen, wurde extra eine stabile Halterung geschweißt. Wais hat bisher gute Erfahrungen an diesen Nachmittagen gemacht. „Die Schüler zeigen großes Interesse, es ist ja auf freiwilliger Basis. Es wird viel gefragt, das ist sehr positiv.“

Andreas Helmholdt betreut die andere Gruppe in der Werkstatt der Firma Landboden, in der sonst vor allem Scania-Lkw, aber auch andere Fahrzeuge repariert werden. Mit den Schülern geht er der Ursache auf den Grund, warum ein ausrangierter Multicar nicht mehr anspringt. Das Fahrzeug stammt vom AWZ und ruhte in Halberstadt schon zwei Jahre, verriet Artur Mahlke. An den ersten beiden Nachmittagen wurde der Anlasser repariert, jetzt widmet sich die Gruppe der Batterie. Ob es klappt, dass der Wagen wieder anspringt, wird sich aber erst nächste Woche zeigen.

Das Halberstädter AWZ übernimmt übrigens den Transport der Schüler von Dardesheim nach Berßel und nach den zwei Arbeitsstunden auch in deren Wohnorte.

Nach dem sich jetzt schon abzeichnenden Erfolg dieses Berßeler Projekts hat das AWZ seine Fühler bereits in andere Branchen ausgestreckt, mit der Kreishandwerkerschaft Kontakt aufgenommen. In Halberstadt hat sich ein Tischler bereit erklärt, mit Gemm-Schülern zu arbeiten. Mahlkes Vorstellungen gehen noch in andere Handwerksberufe, in den Gastronomiebereich, in den Handel. Also Branchen, die ganz besonders dringend Berufsnachwuchs suchen.