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Brauchtum Verklingende Birkenblätter

Mit einem Video will der Harzklub die Kunst des Musizierens mit nichts als einer Birkenrinde im Mund retten.

Von Burkhard Falkner 01.05.2016, 07:00

Benneckenstein/ Langelsheim l Der merkwürdige, aber doch melodisch zirpende Klang von sogenannten Birkenblättern ist im Harz immer weniger zu hören. Einst beim Jodlerwettstreit in Altenbrak ebenso gang und gäbe wie auf Schafweiden und lustigen Familienfeiern, können heute nur noch wenige Menschen mit einem Stück Birkenrinde Musik machen. Der so erzeugte besondere Klang wird immer leiser.

Dagegen arbeiten Brauchtumskenner wie Lutz Wille (Heidelberg/Benneckenstein) und Klaus Wiens aus Langelsheim/Kreis Goslar nun verstärkt an. „Der Harz ist eines der letzten Reliktgebiete für das Blasen auf dem Birkenblatt“, konstatiert Wille. Ursprünglich habe das Instrument in den Lebensalltag der Schäfer gehört, nicht nur im Harz, sondern auch in Thüringen, im Fläming und Eichstätter Jura, in den Alpenländern, Ungarn, Tschechien, der Slowakei.

Musik gemacht wird dabei gemeinhin auf einem zwei mal vier Zentimeter großen Stück Bast von der inneren Schicht der Birkenrinde, etwa einen Millimeter stark. Gegen die Lippen gepresst, gerät das Bastblättchen durch Anblasen in Schwingungen. Es entsteht ein scharfer oboenartiger Ton. „Durch Veränderungen der Lippenspannung, der Stärke des Luftstroms und der Größe der Mundhöhle, die als Resonanzraum dient, können unterschiedliche Töne zwischen a und f erzeugt werden“, erläutert Lutz Wille.

Geblasen wurde so ein Birkenblatt einst häufig bei Schäferfesten, vor allem im Mansfelder Land. Es habe dort ganze Birkenblatt-Kapellen gegeben, berichtet Wille, die mehrstimmig Schäferweisen und Tanzmelodien spielten. Bekannt seien Birkenblattbläser wie Schafmeister Ernst Lichtenfeld und Otto Meiberg, einst in Wegeleben ansässig, ursprünglich aus dem Mansfelder Land stammend. Sie pflegten in den 30-er Jahren bis zu ihrem Tod die alte Musizierpraxis und gaben sie weiter, so etwa an die Harslebener Trachtengruppe.

Heute blasen Schäfer gar nicht mehr und Folkloristen kaum noch Birkenblatt. „Einführungskurse dafür beim Harzklub oder auch im Zentrum HarzKultur in Wernigerode werden kaum nachgefragt“, sagt Lutz Wille. Gemeinsam mit den Kursleitern Klaus Wiens und Susanna Nehrig organisierte Wille an der Grundschule Wolfshagen bei Langelsheim einen Workshop mit Kindern, die sich unter Anleitung Musik-Birkenblätter fertigten und darauf eifrig übten.

Die Tüftelei und emsige Aktion der Kids wurde filmisch festgehalten. Es ist der Beginn einer Aktion, bei der eine Art Lehrvideo für die verloren gehende Musizierweise erarbeitet wird. Der Film soll über die alte Geschichte des Birkenblattblasens informieren und zugleich eine Anleitung geben, sich mal selbst ein solches quasi Bio-Instrument herzustellen und mit Spaß zu versuchen, Töne und Melodien zu blasen.

Das Projekt wird von der Dr. Wolfgang und Ingeborg Pötzschner-Stiftung des Harzklubs gefördert. Der Film soll ab dem Herbst für Schulen, Folkloregruppen und Vereine vorliegen.