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Asthma-Inhalator Marathon durch den Paragrafendschungel

1993 erfand der Halberstädter Christoph Klein einen neuartigen Inhalator für Asthmatiker. Es folgte ein Marathon vor Gerichten - bis heute.

Von Holger Manigk 02.06.2016, 09:33

Halberstadt l Eine scheinbar unendliche Geschichte könnte für Christoph Klein doch noch gut enden. Der gebürtige Halberstädter ist für den „„Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel“ nominiert – und könnte bald einen jahrzehntelangen Rechtsstreit mit der EU-Kommssion gewinnen.

Begonnen hatte dieser 1993 mit einer Erfindung: Der Asthmatiker Klein war unzufrieden mit den herkömmlichen L-förmigen Inhalierhilfen. Er entwickelte einen eigenen geraden Inhalator – dieser konnte auch im Liegen verwendet werden und war wiederverwertbar. „Die Firma Primed Halberstadt Medizintechnik GmbH hatte mir damals tatkräftig und unbürokratisch unter die Arme gegriffen, auch die Behörden in Sachsen-Anhalt hatten damals geholfen“, sagt Klein. Das zuständige Amt für Arbeitsschutz sah alle gesetzlichen Voraussetzungen als erfüllt an und ließ die Inhalierhilfe als Medizinprodukt zu, schreibt die Werner-Bonhoff-Stiftung in der Begründung ihrer Nominierung.

„Leider gab es unheilige Allianzen, bestehend aus der Regierung von Oberbayern und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die gegen das Produkt gearbeitet haben“, sagt Klein rückblickend.

Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Halberstadt erließ auf Drängen der Oberbayern 1996 ein Vertriebsverbot und ließ das Produkt zurückrufen. Begündung: Die Inhalatoren stellten ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar. „Die Firma stand ein Jahr nach dem Vertriebsverbot vor dem Aus“, so Klein.

Nach EU-Recht musste die EU-Kommission über das Vertiebsverbot in Kenntnis gesetzt werden. Ein sogenanntes Schutzklauselverfahren wurde 1997 eingeleitet. Die Kommis-sion hat dieses noch nicht abgeschlossen – mittlerweile sind 18 Jahre seit Verfahrensbeginn vergangen.

Der Halberstädter gab aber nicht auf – und fand neue Investoren, nahm neue Kredite auf und gründete 1998 die Atmed AG, mit der Klein die Inhalierhilfe unter dem Namen „Effecto“ erneut auf den Markt brachte. 2005 sprach die Regierung von Oberbayern wieder ein Vertiebesverbot aus. Wieder folgte eine Rückrufaktion. Laut Klein waren zu diesem Zeitpunkt bereits 30 000 Inhalatoren verkauft. Es habe keine Berichte über Probleme gegeben.

Die EU-Kommission blieb wegen des ersten Schutzklauselverfahrens untätig und leitete kein neues ein. „Ohne ein Tätigwerden der Kommission konnte Christoph Klein gegen das Vertriebsverbot nicht vorgehen“, teilt die Bonhoff-Stiftung mit. Der Unternehmer wandte sich schließlich mit einer Petition an das Europäische Parlament.

In einer Stellungnahme dessen Rechtsausschusses von 2010 heißt es, Klein sei „seit 1997 Opfer einer eklatanten Rechtsverweigerung seitens der Kommission“. Das Parlament habe sich „ernsthaft Mühe gegeben, Transparenz in den Fall zu bringen“, sagt Christoph Klein.

Da die Atmed AG wegen des jahrelangen Vertriebsverbotes für den „Effecto“-Inhaltor, ihr Hauptprodukt, keine Umsätze erwirtschaften konnte, stiegen die Verbindlichkeiten der Firma immer weiter an. Im Mai 2011 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.

„Dank gewisser, hart erarbeiteter Teilerfolge wie im Europäischen Parlament und dank Hilfe eines guten Freundes sowie guter Juristen konnte ich ehemalige Aktionäre der Atmed AG überzeugen, in mich zu investieren“, erklärt Klein, wie er finanziell überlebte.

Der Geschäftsmann klagte vor dem Gericht der Europäischen Union und schließlich vor deren Gerichtshof gegen die Europäische Kommission – häufig als „Hüterin der Verträge“ bezeichnet. Der Gerichtshof gab ihm recht – Klein stehe ein Schadenersatz für die jahrelange Rechtsunsicherheit zu – und verwies seinen Fall zurück an das Europäische Gericht.

„Wir rechnen in Kürze mit einem Zwischen- und Haftungsurteil des Europäischen Gerichtes“, sagt Christoph Klein. Für den jahrzehntelangen Streit habe er „Nerven wie Stahlseile“ gebraucht. Ohne die Unterstützung von Freunden, Bekannten und Familie sowie guten Rechtsanwälten hätte er niemals so lange durchgehalten.

„Sobald ich letztendlich den Schadensersatz realisiert habe – und ich hoffe, dass uns das in diesem Jahr gelingen wird – werde ich natürlich mit meiner Familie in Halberstadt vorbeischauen.“ Zudem wolle der Kaufmann dann das „großartige, künstlerische Lebenswerk“ des Malers und Bildhauers Cornelius Richter würdigen.

Mit ihm hatte sich Klein vor der Atmed-Insolvenz angefreundet und danach als Agent und Manager für den berühmten Künstler gearbeitet. „Diese Arbeit hat sehr viel Spaß gemacht, da ich zusammen mit Cornelius Richter viele verrückte und wunderschöne Ideen und Projekte im Kunstbereich umsetzen konnte“, erinnert sich Klein. Das habe ihn von seinen Sorgen und Nöten abgelenkt.

Umso größer war der Schock, als Richter im Sommer 2014 plötzlich verstarb. Die Zusammenarbeit hat Christoph Klein aber gezeigt, dass auf dem Kunstmarkt mitunter „ähnliche mafiöse Verhaltensweisen und Strukturen wie im Bereich der Pharma- und Medizintechnik“ herrschen.