Finanzen Bibliothek geschrumpft

Hinter der Zukunft der Osterwiecker Stadt- und Schulbibliothek steht ein Fragezeichen. Aus mehreren Gründen.

Von Mario Heinicke 16.01.2017, 09:00

Osterwieck l Die Nutzerzahlen der Bibliothek im Jahr 2016 sehen schlecht aus. Noch schlechter als 2015.

Das Dilemma begann, als die Stadt im Frühjahr 2014 Nutzungsgebühren eingeführt hat. Jährlich 15 Euro kosten diese für Erwachsene, außerdem gibt es einen ermäßigten halbierten Tarif. Für Kinder und Jugendliche bleibt die Ausleihe der Bücher gebührenfrei.

Bis 2013 hatte die Bibliothek regelmäßig mehr als 1000 erwachsene Leser. 2015 waren es 86 Personen, die die Gebühr bezahlt haben, voriges Jahr gar nur noch 67. Demgegenüber ist die Zahl der 501 jugendlichen Leser nur um etwa 100 niedriger als in den Vorjahren.

Wer jedoch die Bibliothek nutzte, tat das intensiv. Durchschnittlich 26 Entleihungen pro Person gehen aus der Statistik für 2016 hervor.

51 neue Leser – allesamt Schüler – haben sich 2016 in der Bibliothek angemeldet. In der Regel sind das Fünftklässler, denn die Einrichtung befindet sich im Fallstein-Gymnasium und ist dort auch Schulbibliothek. In den Februar-Ferien ziehen Bücher und Regale allerdings um in den sanierten „Bunten Hof“.

Nicht der gesamte alte Medienbestand kann mitkommen, das war von vornherein klar. Denn im „Bunten Hof“ hat die Einrichtung weniger Platz. Deshalb hat Bibliotheksleiterin Kathrin Mannewitz in den vergangenen zwei Jahren 4000 alte, nicht mehr gefragte Bücher aussortiert. Die jetzt vorhandenen 10 000 Bücher und anderen Medien finden im Haus gegenüber Platz.

Der Umzug der Bibliothek wurde in der Vergangenheit mit dem Raumbedarf für das Gymnasium begründet. Hier belegt die Bibliothek drei Räume. Offen scheint derzeit, ob wirklich alle Bücher umziehen oder doch für die Schule ein Teil im Gymnasium verbleibt. „Das ist derzeit noch Beratungsgegenstand“, erklärte Fachbereichsleiter Manfred Riecher auf Anfrage.

Fragen um die Zukunft der Bibliothek ergeben sich vor allem aus dem jüngsten Gutachten über den Stadthaushalt. Den Verfassern des Papiers „scheint eine Schließung notwendig“, heißt es dort. Knapp 50 000 Euro könnten dadurch jährlich gespart werden. Wohlgemerkt sogenannte freiwillige Ausgaben, was doppelt wiegt.

Doch den Gutachtern schien es bei ihrer Bewertung nicht nur um die Finanzen zu gehen, sondern auch um die Attraktivität der Bibliothek, genauer der Buchbestände. Diese seien veraltet, was wiederum bei einem Jahresbudget von geplanten 1200 Euro nicht verwunderlich sei. Diese Zahl stammt übrigens aus dem Haushaltsplanentwurf 2016, tatsächlich dürfte es noch weniger sein. Denn für neue Bücher stehen nur die Gebühreneinnahmen der Nutzer zur Verfügung. Das sind 2016 weniger als 1000 Euro gewesen, und etwa die Hälfte davon geht schon für die vier Zeitschriftentitel drauf, die den Lesern angeboten werden. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Bibliotheken negative Ergebnisse vorweisen“, heißt es im Gutachten. „In diesem Falle fehlen jedoch der Bibliothek die Nutzer.“

Die Gutachter sehen zwei Auswege: die Schließung der Bibliothek oder die Übergabe in freie Trägerschaft. Osterwiecks Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Buko) hatte sich unterdessen im Dezember in einem Volksstimme-Interview klar zur Bibliothek im „Bunten Hof“ bekannt. Aber möglicherweise mit weniger Öffnungszeiten.

Dass über 1000 Leser seit Einführung der 15 Euro die Bibliothek ignorieren, dürfte die Stadtverantwortlichen in dieser Größenordnung überrascht haben. „Druckfrische, fest gebundene Romane haben einen Mindestpreis von 19,99 Euro“, erklärte Kathrin Mannewitz. „Man erkennt sehr schnell, inwieweit sich die Jahresgebühr für den Leser rechnet.“ Finanziell steht die Bibliothek mit den Gebühren immer noch günstiger da als ohne. Denn auch dann müsste noch zusätzliches Geld für neue Bücher aus dem Stadthaushalt ausgegeben werden.

Doch es gibt noch ein Problem für die Bibliothek, das ist die einst von der Stadt beförderte Konkurrenz des (sozialen) Bücherladens, der 2012 als ein Projekt der „ZukunftsWerkStadt“ entstanden war. Träger ist der Kulturlandverein. Dort kann man für wenig Geld gebrauchte Bücher erwerben. Und der Laden wird gut angenommen. Schon gibt es im Hintergrund der politischen Gutachten-Diskussionen Überlegungen, inwieweit der Bücherladen mit der – übrigens 1920 gegründeten – Bibliothek verquickt werden könnte.

Kathrin Mannewitz bemüht sich unterdessen, im Rahmen ihres Budgets aktuelle Literatur auf Leserwunsch zu beschaffen. Doch kann sie über ihr Budget auch erst verfügen, wenn der städtische Haushaltsplan vom Stadtrat beschlossen und von der Kommunalaufsicht genehmigt ist. Das war voriges Jahr erst im Sommer der Fall. Mannewitz hat nach eigenen Aussagen einen engen Kontakt zu den Lesern. Den sie auch damit festigt, indem sie Lesungen von Vorschulkindern bis Senioren anbietet und diverse Leseprojekte der Schulen unterstützt.