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Kriminalstatistik Sportlich - auch in der Zukunft

Die Kriminalstatistik 2015 fällt positiv aus, weil viele Beamte zwar an der Belastungsgrenze arbeiten, ihren Job aber als Berufung sehen.

Von Dennis Lotzmann 05.03.2016, 00:01

Halberstadt/Wernigerode/Quedlinburg l Dietmar Schellbach ist – salopp formuliert – kein Mann für Schnellschüsse in punkto Wortwahl. Im Gegenteil: Der 47 Jahre alte Polizeidirektor weiß um die möglichen Folgen unbedachter Äußerungen und wägt daher stets mit Bedacht ab. So auch bei der Vorstellung der Kriminalstatistik für das Jahr 2015. Befragt zu seinen Wünschen hinsichtlich der personellen Ausstattung im kriminalpolizeilichen Bereich, wollte Schellbach zwar keine konkrete Zahl nennen. Mit Blick in die Zukunft sagte er jedoch: „Ich habe den Wunsch, dass wir das, was wir machen wollen, auch machen können.“

Ein Satz, der an Tragweite gewinnt, betrachtet man die personelle Situation bei den Harzer Kriminalisten: Nach Recherchen der Volksstimme lag deren Zahl vor einigen Jahren bei 130 bis 140 Beamten. Gegenwärtig pendele die Zahl „um die 100“, hieß es am Freitag bei der Vorstellung der Statistik. Da zugleich die Zahl der Straftaten nach wie vor steigend ist, stehen die Beamten unter immer größerer Arbeitsbelastung.

Und die Folgen der rigiden personellen Sparpolitik des Landes werden immer deutlicher spürbar: „Wir haben einen Altersdurchschnitt von 50,4 Jahren“, berichtet der amtierende Kripochef Frank Götze. Und viele gestandene Kollegen gingen in absehbarer Zeit in Pension, so Schellbach. Vor allem deshalb sei Nachwuchs nötig, um der nächsten Generation Erfahrungen zu vererben. Die bestehende Lücke, darin sind sich Schellbach wie Götze einig, müsse so schnell wie möglich geschlossen werden.

„Zum Glück haben alle Parteien dieses Problem erkannt“, konstatiert Schellbach. Aber: Bis der Nachwuchs den Ausbildungsweg durchlaufen hat und die Entscheidungen der Vergangenheit vor Ort korrigiert werden können, werden noch Jahre ins Land gehen. „Es wird in den nächsten Jahren sportlich“, prognostiziert der Revierchef.

Womit ausnahmslos alle Beamten im Revier in der Übung bleiben, denn auch 2015 beschreibt Schellbach als sportliches Jahr: „Es war ein intensives, anstrengendes Jahr, und wir wussten anfangs nicht, was auf uns zukommt.“ Gemeint ist damit der Zustrom von Flüchtlingen, der die Harzer Polizei aufgrund der Erstanlaufstelle in Halberstadt ganz besonders forderte. Hinzu kamen Demonstrationen, die mit hohem personellen Aufwand abzusichern waren.

Dietmar Schellbach ist bei der Vorstellung der Statistik vor allem die Asyl- und Flüchtlingsthematik wichtig: „Es gibt bei diesem Personenkreis keine Auffälligkeiten – weder gehäufte Straftaten von Flüchtlingen noch Übergriffe gegenüber Ausländern.“ Das, was seitens der Harzer Polizei schon 2015 stets betont wurde, sehen Schellbach und seine Mitstreiter nun mit Zahlen belegt.

Und das bestätigt auch Enrico Burau, Centermanager der Halberstädter Rathauspassage: „Es gibt bei den Asylsuchenden, die unser Haus frequentieren, keine Auffälligkeiten und auch keine steigenden Kriminalität aufgrund ihrer Anwesenheit. Ich kann nur alle aufrufen, jegliche Vorurteile abzulegen.“

Angesichts der Fakten und mit Blick auf Wahlkampf-Slogans wie „Hände weg von unseren Frauen“ findet Schellbach ein klares Urteil: „Das ist hochgradiger Unsinn.“

Ansonsten verrät der Blick in die Statistik: Nach Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau hat der Harz im Vergleich der Kreise die vierthöchste Kriminalitätsbelastung im Land. Vergleicht man die Fälle bezogen auf die Einwohnerzahlen in den drei Harzer Altkreisen miteinander, lebt man im Bereich Wernigerode am sichersten. Und die Aufklärungsquote steigt leicht an – von 62,6 Prozent 2014 auf 62,9 Prozent im abgelaufenen Jahr.

Wirklich? Auf Nachfrage räumt Schellbach ein, dass die  Aufklärungsquote durchaus einen „Knick aufweist“, rechne man die Asylverfahren heraus. Wie groß dieser Knick ist, bleibt offen, eine konkrete Zahl wird nicht genannt. Besagte Asylverfahren richten sich gegen nahezu alle Antragsteller, werden praktisch immer erfolgreich abgeschlossen und beeinflussen die Bilanz positiv. Die um diesen Komplex bereinigte Quote liegt nach Recherchen der Volksstimme im Harz real bei etwa 55 Prozent.

Und diese Zahl dürfte zweifellos Beamten zu verdanken sein, die trotz zuweilen widriger Umstände ihren Beruf als Berufung sehen.