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Windpark Rätzlinger fürchten Gefahr für Gesundheit

Bei Rätzlingen sollen acht weitere Windräder gebaut werden. Anwohner klagen, der Mindestabstand zu den Häusern sei zu gering.

Von Anett Roisch 26.02.2016, 00:01

Rätzlingen l „Der geforderte 1000-Meter-Abstand von Windkraftanlagen ist bei einem Windrad, das bereits steht, unterschritten. Es sind 930 Meter. Das sollte überprüft werden. Aber ich habe dazu immer noch keine Resonanz vom Bauamt der Stadt bekommen“, sagte Peter Fäsche, Bewohner der Everinger Straße in Rätzlingen, am Mittwochabend bei der Sitzung des Hauptausschusses der Stadt Oebisfelde-Weferlingen.

Einheitsgemeinde-Bürgermeisterin Silke Wolf (Die Linke) erklärte, dass der Leiter des Bauamtes derzeit krank ist, aber sie noch mal nachhaken würde. Fäsche sagte: „Der geforderte Mindestabstand betrug 2010 noch 1000 Meter und soll laut den neuesten Gesetzen nun sogar 1500 Meter betragen.“

Die Regionale Planungsgemeinschaft Magdeburg hat in den Gemarkungen Rätzlingen, Bösdorf und Lockstedt ein Windeignungsgebiet ausgewiesen. Neun Windräder stehen dort seit 2006. Die betroffenen Gemeinden hatten ihrerseits gegen die erteilte Genehmigung Klage eingelegt. Seit 2007 sind zehn - später nur noch acht - weitere Windkraftanlagen von der Windpark GmbH Co. Rätzlingen KG, hinter der der Windanlagenhersteller Enercon aus Aurich steht, beantragt. Die Genehmigung für die Erweiterung des Windparks nach Bundesimmissionsschutzgesetz wurde im Juli 2011 aus naturschutzfachlichen Gründen verwehrt. Gegen diese Ablehnung hat die Firma Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg eingelegt. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Klage abgewiesen. Daraufhin hat die Windpark GmbH & Co. Rätzlingen KG Berufung beim Oberverwaltungsgericht Magdeburg eingelegt.

„Herr Dietz von unserem Bauamt und Rätzlingens Ortsbürgermeister Wilhelm Behrens waren bei der Gerichtsverhandlung in Magdeburg zugegen. Den Argumentationen der Gemeinde ist nicht gefolgt worden. Wir haben aber bisher keine rechtskräftige Urteilsverkündung. Nach derzeitigem Stand geht die Sache zurück zum Landesverwaltungsamt. Dort wird dann endgültig entschieden, wie es weiter geht“, erklärte Silke Wolf.

„Wir – die Bewohner der Everinger Straße – sind deprimiert, denn die Lärmbelästigung ist groß. Es ist ja nachgewiesen, dass der Lärm Schädigungen von Mensch und Tier zur Folge hat“, erklärte Fäsche, dessen Grundstück direkt an den Windpark grenzt. „Das sind manchmal 120 Dezibel. Aber Windkraftanlagen schädigen nicht nur durch Lärm, sondern auch durch Schattenwurf und Infraschall die Gesundheit. Unter Infraschall versteht man unhörbare Luftschwingungen mit sehr tiefen Frequenzen unter 100 Hertz. Mehrere Studien belegen, dass starke Gesundheitsschäden zu erwarten sind, da der Bürger dem Infraschall hier permanent ausgesetzt ist. Infraschall kann unter anderem zu Kopfschmerzen, Tinnitus und Beeinträchtigungen der Herzfrequenz führen“, schilderte Fäsche und verwies auf Presseberichte.

„Wie kann da so ein grober Fehler passieren, dass man da den Mindestabstand nicht einhält? Da müsste man bei den neuen Anlagen drauf achten, dass so etwas nicht wieder passiert“, sagte Stadtrat Karsten Schindler (CDU).

Fäsche verwies auf eine Unterschriftensammlung. Vor der Errichtung der ersten Windräder hatte er Unterschriften von 36 betroffenen Familien zusammengetragen. „Diese Unterschriften sind Bestandteil der Gerichtsakte“, versicherte die Bürgermeisterin.

Udo Müller (UWG Feuerwehr), Mitglied im Rätzlinger Ortschaftsrat, machte darauf aufmerksam, dass sich auch die Kindertagesstätte ganz in der Nähe der Windräder befindet. „Wir haben die 1000 Meter unterschritten. Das passt nicht. Wir können nicht zulassen, dass unsere Kinder da unmittelbar unter dem Sockel sitzen“, sagte Müller und betonte, dass die Rätzlinger keine weitere Windräder mehr möchten.

„Die Genehmigung der Anlagen innerhalb der dafür vorgesehenen Gebiete erfolgt nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. In dem Genehmigungsverfahren muss der Antragsteller nachweisen, dass die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm und zulässiger Schallschutzpegel beim Betrieb der Anlage im Verbund mit den bereits bestehenden nicht überschritten wird. Andernfalls kann die Anlage nicht genehmigt werden“, sagte Eckhard Groß, Leitender Planer der Regionalen Planungsgemeinschaft Magdeburg. Für die Nutzung der Windenergie habe die Regionalversammlung der Planungsgemeinschaft Abstandskriterien beschlossen. Eine dieser Kriterien ist, dass zu dörflichen und städtischen Siedlungen der Abstand 1000 Meter betragen soll. „Der Regionalplan wird im Maßstab 1:10 00 00 erstellt. In diesem Maßstab und mit den entsprechenden Planzeichen kann es zu Ungenauigkeiten kommen. Ein Millimeter auf dem Plan entspricht 100 Metern in der Realität“, erklärte Groß. Vor diesem Hintergrund könne es durchaus möglich sein, dass der Abstand der Anlage von der Wohnbebauung den Wert von 1000 Metern in geringem Umfang unterschreitet.

„Bei dem jüngsten Gerichtsverfahren spielte der Mindestabstand aber gar keine Rolle. Bei der Festlegung der Gebiete für die Nutzung der Windenergie ist nicht bekannt, welche Anlagen in dem Gebiet errichtet werden sollen. Wenn die Windräder wirklich zu laut sind, könnte das nachgeprüft werden. Wenn das nachgewiesen werden kann, könnte man den Betreiber zu Abschaltzeiten verpflichten“, sagte Groß.

„Es geht ja auch darum, dass der Drömling Biosphärenreservat werden soll. Da gehört ja auch Rätzlingen dazu. Das ist sicher für ein neues Urteil von großer Bedeutung “, betonte Stadtrat Thomas May (Die Piraten).

„Es ist sehr wichtig, dass mal jemand da rausfährt und sich den Lärm der Windräder vor Ort anhört. Es hört sich nämlich an wie Flughafengeräusche. Rätzlingen bekommt immer Westwind. Dieser Lärm kommt von der Westseite, also wir in Lockstedt hören das nicht“, erklärte Stadträtin Bogumila Jacksch (UWG), Ortsbürgermeisterin von Oebisfelde, die in Lockstedt wohnt.

Auf Nachfrage erklärte gestern eine Justizangestellte des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt, dass sie im Moment noch keine Auskunft über das Gerichtsurteil geben darf. „Ich muss darauf warten bis die, die am Verfahren beteiligt sind, das Urteil zur Kenntnis genommen haben. Also ich muss das Empfangbekenntnis abwarten“, erklärte die Justizangestellte.