1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Schifferkirche verwandelt sich in Musikcafé

Lesung Schifferkirche verwandelt sich in Musikcafé

In der Schifferkirche Wieglitz hat Ludwig Schumann aus seinem neuen Buch gelesen. Es handelt vom Magdeburger „Café Impro“.

Von Anett Roisch 19.02.2016, 00:01

Wieglitz l Um das legendäre Café Impro ranken sich viele Geschichten. Manche sind wahr, manche wahrhaft unglaublich. Der Autor Ludwig Schumann ist der Geschichte des Clubs, der sich in den 70er Jahren zum wichtigsten Beatclub der DDR entwickelte, was ihm den anerkennenden Ruf „das kleine Liverpool“ einbrachte, auf den Grund gegangen. In der Schifferkirche begrüßten Angelika Huchel und Astrid Leischwitz, die Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates, den Autor, der 1951 geboren wurde.

Schumann war Pfarrer in der Magdeburger Börde und lebt heute als freischaffender Dichter und Schriftsteller in Zeppernick, Stadt Möckern. Schumann las nicht nur aus seinem Buch vor, sondern berichtete auch aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz mit dem Impro sowie Erlebnissen bei der Entstehung des Buches. Die Recherche für das Buch sei – nach den Ausführungen des ehemaligen Pfarrers – für ihn eine Reise in die eigene Vergangenheit gewesen. „Ich bin dabei über mein eigenes Leben gestolpert. Viele der damaligen Akteure kenne und kannte ich, wenn auch aus anderen Zusammenhängen heraus.“ Für das Buch hat er zahlreiche Musiker befragt, die im Café Impro aufgetreten waren. „Unterlagen und Erinnerungsstücke waren nämlich nicht so zahlreich auffindbar“, berichtete Schumann.

Dass dem Café Impro auch in Wort und Schrift besondere Aufmerksamkeit gebührt, ist nicht zuletzt einem Jubiläum im vergangenen Jahr zu verdanken. Denn vor 51 Jahren, genauer am 9. Januar 1965, eröffnete der Musikclub in der ehemaligen „Stadtschänke“, dem früheren „Tauentzien“ in der Liebigstraße. Der Name „Impro“ stand dabei für die notwendige Improvisation beim Aufbau des Clubs in einer an Material knappen Zeit. Bis in die 80er haben sich Musiker dort die Seele aus dem Leib gespielt und ihre ganz persönlichen Erlebnisse gehabt, darunter Dieter „Maschine“ Birr, Klaus-Dieter Henkler, Ritchie Barton, Gisbert Piatkowski, Reinhard Lakomy, Gösta Berger oder Günther „Grete“ Fischer.

Seine Erzählungen zeigen ein Stück DDR-Geschichte. „Junge Leute trafen sich damals, die sich einen Ort der Freiheit suchten, die sich nicht im vorauseilenden Gehorsam bewegten, sondern aufmüpfig waren, die ihre Lust auf die Musik, die sie hören wollten, mitten in der DDR durchsetzten“, schilderte Schumann.

Immer wieder sind auch Berichte eines IM der Staatssicherheit in die Anekdoten eingestreut. „Natürlich stand auch das Café Impro unter Beobachtung. Nur, seltsamerweise, hatte das keine Konsequenzen“, wundert sich der Autor noch heute. Interessant sei beispielsweise die Geschichte des Beleuchters Peter Morena, der Magdeburger Bands managte. Mit welcher Fantasie da Morena als Lehrling seinem Hobby nachging und wie unverständlich manchmal Entscheidungsträger in der DDR handelten. Immer aber, und das ist die Botschaft dieses Buches, gab es Möglichkeiten, die engen Rahmen des Systems zu weiten. Und das versuchten die Menschen auch. Und ganz nebenbei erfuhren die Zuhörer in der Kirche manche hübsche kleine Story aus Musikerbiografien.

„Wir haben uns fast wie im Café Impro gefühlt. Die Geschichten waren sehr spannend. Die Zeit verging wie im Flug“, beschrieb Astrid Leischwitz und überreichte dem Gast als Dankeschön Schokolade und Sekt aus ostdeutscher Produktion. Angelika Huchel schwärmte: „Die drei Musiker waren so mitreißend, voller Liebe zur Musik, da hätte man am liebsten noch getanzt.“

Die nächste größere Veranstaltung in der kleinen Kirche wird der Weltgebetstag am Freitag, 4. März, um 17 Uhr sein. Im gesamten Pfarrbereich Bülstringen findet vom 22. bis zum 28. Februar eine Bibelwoche statt. Die Wieglitzer Christen laden vom 22. bis zum 24. Februar ab 18.30 Uhr zu Bibelstunden in die beheizte Kirche ein. Den Abschlussgottesdienst wird Eberhard Resch, Pfarrer im Ruhestand, am Sonntag, 28. Februar, um 10 Uhr als Zentralgottesdienst im Pfarrbereich in Wieglitz halten.