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Reiterhof Als Tier-Papa selten eine ruhige Minute

Nachwuchs auf dem Reiterhof Lemme in Wulkau. Jüngst hat ein weißes Kamelfohlen das Licht der Welt erblickt.

Von Andrea Schröder 06.05.2016, 21:43

Wulkau l „Na komm Baby, hier geht‘s lang.“ Jürgen Lemme führt den Kopf des kleinen Kamelfohlens zum Euter der Mutter. Anuschka heißt sie und lässt sich völlig ungestört die Brötchen schmecken. „Damit lenke ich sie ab“, erklärt der Besitzer des Reiterhofes. So einige Tricks hat er sich im Laufe der Jahre angewöhnt, um die Jungen groß zu kriegen. Und auch manches Wissen. Er ist befreundet mit einem Tierarzt bei Hamburg, der selbst Kamele hat und ihm gern weiterhilft. In den ersten drei Tagen nach der Geburt ist die Zugabe von Selen ganz wichtig. Und eben, dass die Kleinen überhaupt trinken. Das machen sie nicht unbedingt von allein.

Manch Junges musste Jürgen Lemme schon mit dem Kopf direkt an die Zitzen des Euters heranführen und dabei den Kopf festhalten. „Der wird mit der Zeit ganz schön schwer, die lassen den einfach hängen.“ Doch bei dem jüngsten Nachwuchs auf dem Reiterhof muss er lediglich beim Suchen der Zitzen helfen. Allein macht auch dieses Stutfohlen das nicht.

Die kleine Dame mit ihrem kuschelweichen Fell ist mit ihren drei Tagen ganz schön groß und schon gut auf den Beinen, als sie vor der Kamera posieren darf. Sie schmiegt sich an ihre Mutter. Die verliert, so wie ihre Artgenossen, gerade ihr Winterfell. Sieben Alttiere und zwei Junge hat Jürgen Lemme zurzeit. Dazu gehört Kameldame Laika, die aufgrund ihres Kieferpro­blems zu Weihnachten operiert werden musste. Viele Spender machten dies möglich.

Sie steht noch mit dem Hengst zusammen im Stall. Im nächsten Jahr soll sie möglichst wieder ein Fohlen gebären. So ganz in Ordnung ist der Kiefer immer noch nicht. Jürgen Lemme wartet auf den Anruf aus der Tierklinik, ob die eingebaute Platte herausgenommen werden muss. „Jetzt, wo sie beim Hengst steht, frisst sie aber gleich noch einiges mehr.“

Die Zeit, als sogar Löwen in Wulkau Asyl bekamen, ist lange vorbei. Aber seit dieser Hilfe für den Zirkus „Berolina“ hat Jürgen Lemme Kamele. Bis zu 25 waren es in Hochzeiten. Er erinnert sich noch gut an den Kamelwallach Oskar, der bei ihm wieder das Laufen lernte. Und Laika ist seitdem bei ihm auf dem Reiterhof. Jetzt hat er außer den Kamelen noch Mutterkühe und Pferde. Ein Teil der Tiere ist schon auf der Koppel, die anderen folgen bald. Auf dem Hof leben Katzen, Hunde und zwei sprechende Papageien. Grünland bewirtschaftet der 68-Jährige noch. Er könnte sich eigentlich langsam zur Ruhe setzen. Doch daran will er noch nicht wirklich denken. „Hier hängt doch mein Herzblut dran“, sagt er und denkt an all die Tiere, denen er Asyl gibt. Auch im Alter, wenn sie in einem Zirkus nicht mehr mit in die Manege können. Die Tourismusschiene mit Urlaub auf dem Reiterhof, die er nach der Wende aufgebaut hatte, hat er zurückgefahren. Im Sommer kommen aber noch immer gern Kinder und genießen das Landleben.

Dann ist ganz sicher auch das Kuh-Zwillingspärchen schon gewachsen, das er jetzt ebenfalls mehrmals am Tag füttert. Die noch junge Mutterkuh hatte schon im vorigen Jahr Zwillinge zur Welt gebracht. Weil die Milch nicht für beide reichen würde, gibt ihnen Jürgen Lemme jeweils eine Literflasche. Ruck zuck hat das erste Kälbchen die Pulle ausgenuckelt. Das zweite trinkt erst, wenn Jürgen Lemme im Reitersitz über ihm steht und er den Kopf zwischen die Beine nimmt. Es hat sich das so angewöhnt. Noch ist es klein genug dafür. Der Landwirt hofft, dass es, wenn es auf die Koppel geht, bei den anderen Mutterkühen dann ganz normal mit säugt. So lange nimmt sich Jürgen Lemme gern die Zeit, den Tierbabys beim Großwerden zu helfen.