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Fundmunition Illegale Sucher gefährden sich und andere

Es ist unfassbar: Die Erinnerung an die Flutkatastrophe ist noch frisch - und jetzt grub jemand metertiefe Löcher in den Elbdeich.

Von Ingo Freihorst 13.01.2017, 17:00

Schönhausen l Tobias Koch vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) kann es nicht fassen: Deichböschung und angrenzender Schutzstreifen neben der ICE-Brücke bei Schönhausen sind übersät von tiefen Löchern, zwischen 50 und 70 insgesamt schätzt er. Manche sind bis zu einem Meter tief, zeigt der für diese Baustelle Verantwortliche mit dem Zollstock.

Die illegalen Gräber waren auf der Suche nach „Weltkriegs-Souvenirs“, die am ostseitigen Elbufer noch immer in Massen lagern. Denn hier endete Anfang Mai 1945 der Rückzugskampf der faschistischen Wehrmacht: alles, was man nicht zum Übersetzen über die Elbe brauchte, blieb am Ufer. Doch sind hier nicht nur verrostete Stahlhelme, Ausrüstungsgegenstände oder Karabiner zu finden, sondern auch jede Menge Munition.

Wie die unscheinbare Zwei-Zentimeter-Granate, welche Polizeihauptkommissar Axel Vösterling, Presseprecher des Technischen Polizeiamtes in Magdeburg, in der Hand hält. Ihre Sprengkraft reicht aus, einen Menschen zu töten. Schon ein Gramm Sprengstoff zerfetzt eine Hand – das haben die Polizisten an einer Schweinepfote getestet. In solch einer Granate stecken aber weit über zehn Gramm.

In dem Areal sind seit Mitte Dezember professionelle Kampfmittelräumer im Gange, denn in diesem Jahr soll der Deich zwischen der ICE-Brücke und der Überfahrt nach Storkau auf zwei Kilometern Länge normgerecht saniert werden. Die Arbeiter haben schon etliche belastete Stellen gefunden und markiert.

Manches Stück Fundmunition wäre auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen: Bauüberwacher Sebastian Dornblut zeigt ein Teil einer Wurfgranate, welche in Granatwerfern verwendet wurde. Dieser Kopf ist immer noch gefährlich, in ihm befindet sich die Grundladung. In einer kompletten Granate steckt ein halbes Kilogramm Sprengstoff.

Fast 72 Jahre nach Kriegsende hat die Munition nichts von ihrer Gefährlichkeit eingebüßt, im Gegenteil: Durch den Rostfraß wird der Zündmechanismus noch fragiler. Bislang hat man nur „handhabungsfähige“ Munition gefunden. Also solche, die abtransportiert werden kann. Die Experten sind sich aber sicher, dass auch solche hochgefährlichen Teile gefunden werden, die vor Ort gesprengt werden müssen. Das geschah auch in Fischbeck, wo ebenfalls Munition in Massen gefunden wurde.

Umso unverständlicher ist es für die Verantwortlichen, dass hier vermutlich am vergangenen Wochenende an dutzenden Stellen gegraben wurde. Der Gräber bringt nicht nur sich in Gefahr, sondern durch den löchrigen Deich auch die Bewohner der Region. „Jegliche Maßnahmen, welche den Deich schädigen, sind verboten“ zitiert Tobias Koch das Wassergesetz. Das gilt als Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Strafe von bis zu 50 000 Euro geahndet werden. Verboten ist laut Gefahrenabwehrverordnung auch das Betreten solch offensichtlich munitionsbelasteter Flächen wie hier am Deich, zumal diese sogar als solche ausgewiesen sind.

Jetzt ist ein Sicherheitsdienst in der arbeitsfreien Zeit und am Wochenende ständig vor Ort und kontrolliert. Und auch die Polizei wird nun öfter vorbeischauen.