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Kunstfestival Besuch im Bauch aus Stahl in Magdeburg

Der Kulturanker macht im Wissenschaftshafen Magdeburg fest. Tragender Teil des diesjährigen Kunstfestivals sind Schiffe aus Schubverbänden.

Von Martin Rieß 12.04.2017, 01:01

Magdeburg l Über eine schmale Leiter geht es in die Tiefe des Schiffsbauchs. Nacheinander steigen Karsten Steinmetz, Vorsitzender des Magdeburger Vereins Kulturanker, und der Maler und Bildhauer Thomas Andrée ins Schummerlicht des Stahlkolosses. Es handelt sich um einen Leichter der Deutschen Binnenreederei, um eines jener antriebslosen Schiffe, aus denen mit einem Schubschiff Verbände zusammengestellt werden und in denen die Güter transportiert werden.

Die beiden klettern rund drei Meter auf den Boden des Schiffs ins schummrige Dunkel. Nur am Heck ist die Abdeckung einen Spalt geöffnet, und fast dreißig Meter erstreckt sich der Laderaum des Leichters in Richtung Bug, der derzeit an der Station der Reederei im Handelshafen auf Vordermann gebracht wird. Alle paar Jahre sind bei den Fahrzeugen, die in ihrer Variante mit Abdeckung sonst beispielsweise Getreide und Dünger transportieren, gründliche Inspektionen angesagt.

In drei derartigen Schiffen also soll die Ausstellung des diesjährigen Kunst- und Kulturfestivals des Vereins Kulturanker stattfinden. Das Opus Aquanett soll – ergänzt durch ein Programm und eine Bebauung auf Zeit auf dem Uferkai am Wissenschaftshafen – vom 10. Juni bis 9. Juli in den Stahlkähnen Raum für 50 Künstler bieten. Das sind deutlich weniger als bei der Sinnlichkeit vor zwei Jahren. Dennoch wollen die Leute vom Kulturanker nicht weniger bieten: Dieses Mal sollen Künstler vor allem auch aus Osteuropa eine Chance bekommen, die sich in ihrer Heimat einen Namen erarbeitet haben. Daneben sind aber auch einheimische Künstler dabei.

Thomas Andrée, der derzeit im Magdeburger MDR-Funkhaus in einer Ausstellung Malerei und Skulpturen zeigt, hat sich auch in den vergangenen Jahren an den Festivals beteiligt und sagt: „Es reizt immer wieder, sich Gedanken über die völlig neuen Orte zu machen, die dann in Magdeburg bespielt werden.“ Immer wieder wird auf diese Weise Neuland betreten – im Falle des Opus Aquanett Neuland auf dem Stahlboden des Schiffs.

Der Kulturanker hat derweil organisatorische Fragen im Blick. Unter anderem blickt Karsten Steinmetz dabei auf den Wasserstand in der Elbe. Grund: Der Wissenschaftshafen hat längst seine Bedeutung für die Handelsschifffahrt verloren. Das Hafenbecken befindet sich von der Elbe aus noch vor der Niedrigwasserschleuse, so dass bei sinkenden Wasserständen auch dort der Pegel deutlich absinken kann. Karsten Steinmetz erläutert: „Die Leichter selbst haben keinen großen Tiefgang. Da dürfte es kaum Probleme geben.“ Wohl aber bei der Frage, wie die Leichter in das Hafenbecken gelangen. Denn dazu muss ein Schubschiff genutzt werden, das deutlich tiefer im Wasser liegt.

„Wenn die Schiffe erst einmal im Hafen sind, ist alles in Ordnung“, sagt der Vorsitzende des Kulturanker-Vereins. Dann nämlich werde der Verein vom Technischen Hilfswerk unterstützt, die Fahrzeuge an die richtige Stelle zu bugsieren.

Und dann gilt es, im Aufbau und in der Ausstellung selbst die nächsten logistischen Aufgaben zu lösen: Zum einen muss ein Zugang zur Ausstellung geschaffen werden. Grund: Die enge Leiter wäre weder vom Komfort noch aus Gründen der Sicherheit den Besuchern der Ausstellung zuzumuten. Eine Treppenkonstruktion muss gebaut und installiert werden.

Die nächste Herausforderung sind die Besucherzahlen. Denn mehr als bei den für die bisherigen Ausstellungen genutzten Lokalitäten ist hier die Zahl derer, die gleichzeitig in die Räume können, limitiert. Die Folge: Gerade in den Zeiten, in denen besonders viele Besucher das Opus Aquanett besuchen, könnte es Wartezeiten geben. Karsten Steinmetz: „Wir arbeiten an Ideen, wie den Besuchern für die Wartezeit etwas geboten wird.“ Immerhin werden die Akteure vom Kulturanker auch am Land eine größere Fläche in Beschlag nehmen, um hier zu zeigen, was sie mit dem Titel des Festivals verbinden.

Neben den drei Leichtern mit Abdeckung wollen die Akteure vom Kulturanker ein offenes Fahrzeug von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nutzen. Dabei handelt es sich um ein Niedrigdeckprahm, ein Schiff ohne Laderaum, auf dem sonst beispielsweise Bagger beim Bau am Fluss und an den Kanälen aufgestellt sind. Dieses könnte gut als Ort für kleinere Veranstaltungen wie Lesungen genutzt werden.

Weitere Zutaten aus der Schifffahrt werden Container aus dem für den Handel heute noch genutzten Magdeburger Hafen weiter im Norden sein, die für das Opus Aquanett genutzt werden. Dabei geht es ausdrücklich nicht allein darum, hier nur Lagerraum zu nutzen. Vielmehr ist im Gespräch, in ihnen beispielsweise Filme und Theater zu zeigen. Und auch Graffiti-Kunst könnte an diesen Behältern für Farbtupfer sorgen.

Thomas Andrée hat sich derweil damit auseinandergesetzt, was er künstlerisch den Besuchern bieten möchte: „Ich denke an ein Bild, in dem die Menschen und das Meer gezeigt werden.“ Klar: Das Opus Aquanett soll mit Hilfe der Deutschen Binnenreederei und der anderen Partner nicht allein das Wasser als neuartigen Veranstaltungsraum erschließen, wie es ihn in diesem Umfang und in dieser Konzentration auf die bildende Kunst in Deutschland noch nicht gab.

Vor allem soll auch das Thema Wasser als Grundlage für das Leben, aber auch angesichts steigender Meeresspiegel als Bedrohung für weite Landflächen in der Welt thematisiert werden. Das gilt nicht allein für die Kunst in den Schiffsbäuchen, sondern auch für das Programm an Land mit Theater, Performances, Kino und Musik.

Neben Fragen, wie Malerei an der Metallwand gezeigt wird, wie die Wege durch die Ausstellung gestaltet werden, wie Skulpturen eigene Wege markieren und wie man mit dem beengten Platz auf 25 mal sieben Metern pro Schiff, das sonst Lasten von rund 450 Tonnen transportiert, auskommt, bietet der Raum auch Raum für weitere Ideen: Beim Besuch im Schiffsbauch hallt es, und ein Klopfen an die Schiffswand bringt einen beeindruckenden Schall hervor. Vielleicht, so eine gemeinsame Überlegung von Karsten Steinmetz und Thomas Andrée, könnte man ja diese Eigenschaft des besonderen Ausstellungsraums auch für eine Klanginstallation nutzen.