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IntegrationHilferuf aus Magdeburger Schule

Regelmäßig werden der Magdeburger Thomas-Müntzer-Schule Schüler mit Migrationshintergrund zugeteilt. Eine Herausforderung für Lehrer.

Von Christina Bendigs 04.04.2017, 01:01

Magdeburg l Mit einem Hilferuf hat sich die Leiterin der Thomas-Müntzer-Schule Anette Doß an Oberbürgermeister Lutz Trümper gewendet. Die Schulleiterin fordert einen Zuweisungsstopp von Schülern mit Migrationshintergrund.

Jede Woche kommen neue Schüler, jede Woche muss daher neu kalkuliert werden: Welche Mädchen und Jungen aus den Sprachklassen sind fit genug, um in den normalen Unterrichtsalltag entlassen zu werden, damit Platz für Nachrücker ist? Regelmäßig ändert sich damit auch die Zusammensetzung der normalen Klassen, in die die Schüler, die schon recht gut Deutsch können, integriert werden.

Die Lehrer ihrer Schule werden vor immer neue Herausforderungen gestellt. „Teilweise gehen wir mit fünf bis sechs unterschiedlichen Vorbereitungen in eine Unterrichtsstunde“, berichtet Anette Doß.

Die gestiegenen Anforderungen machen sich auch im Krankenstand bemerkbar. Aktuell fehlen sechs von 30 Lehrern, und das bei einer Versorgung von ohnehin schon nur 89 Prozent. „Eigentlich müssten wir 40 Schüler abgeben“, sagt die Schulleiterin. Die nämlich sind gemessen an der Zahl der Lehrer zu viel an ihrer Schule.

149 Kinder an ihrer Schule haben einen Migrationshintergrund, sie kommen aus 26 unterschiedlichen Nationen – fast 40 Prozent der insgesamt 369 Schüler. Darunter sind auch jene, deren Eltern bereits in den 1990er Jahren nach Deutschland kamen. 108 Kinder und Jugendliche kamen in den vergangenen zwei Jahren. 55 Mädchen und Jungen wurden im vorigen Schuljahr in die Thomas-Müntzer-Schule an der Umfassungsstraße geschickt, allein im ersten Halbjahr des Schuljahres 2016/17 kamen weitere 41.

„Wir haben uns um extra Sprachlehrer bemüht, jetzt sind wir die in den Po Gekniffenen“, kritisiert Anette Doß. Denn das Land Sachsen-Anhalt weist die Kinder den Schulen zu, die entsprechende Sprachklassen vorhalten. In Magdeburg sind das neben der Müntzer-Schule auch die Goethe-, Leibniz- und Heine-Schule. Anette Doß sagt: Schlimmstenfalls stehe sogar das Ganztagskonzept auf der Kippe.

Um überhaupt einmal wieder zur Ruhe zu kommen, fordert sie Sonderregelungen für ihre Schule: Zuweisungen von Migrantenkindern nur zum Schuljahresbeginn und zum zweiten Halbjahr etwa, außerdem eine gleichmäßige Verteilung der Migrantenkinder auf alle Sekundarschulen der Stadt. „Aber ich will es nicht immer nur auf die Migrantenkinder schieben“, sagt Doß auch.

Gerade in ihrer Schule hätten die Lehrer ohnehin schon zu kämpfen. „60 Prozent unserer Schüler kommen aus Hartz-IV-Familien“, sagt sie, und damit aus teils schwierigen Verhältnissen. Deutsche Familien würden versuchen, ihre Kinder von der Schule zu nehmen, auch soziokulturell war es anfangs schwierig und wird es jetzt wieder, bestätigt auch Anette Doß’ Stellvertreterin Martina Wiedemann. „Und wenn sich neue Lehrer an der Schule vorstellen, lehnen die dankend ab, wenn sie die Verhältnisse gesehen haben“, sagt Doß. Die meisten in ihrem Team würden kämpfen, um die Kinder weiterzubringen. Doch es wird zunehmend schwerer.

Oberbürgermeister Lutz Trümper besuchte am Montag die Thomas-Müntzer-Schule. Die Probleme sind ihm bekannt. Mehrfach warnte er schon vor der Bildung sozialer Brennpunkte. Die Aufweichung der Schulbezirke werde nicht viel helfen, ist er sicher. Der Stadtverwaltung seien die Hände gebunden, denn für die Zuweisung der Schüler sei das Landesschulamt verantwortlich, „und das verweist dahin, wo es Sprachlehrer und -klassen gibt“.

Dennoch hatte er auch gute Nachrichten. Der zuständige Minister habe zugesichert, Schüler künftig gerechter zu verteilen und die ursprünglich anvisierte Grenze von maximal 25 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund am Anteil der Gesamtschülerzahl einzuhalten. Ab wann, das ist jedoch unklar. An den drei anderen Schulen mit Sprachklassen gebe es ähnliche Probleme.

Das Team der Thomas-Müntzer-Schule freute sich am Montag, die Sorgen und Bedenken zumindest einmal aussprechen zu können. „Und wir hoffen, dass wir einen Stein ins Rollen bringen können“, sagt Anette Doß, damit an ihrer Schule sowohl für die Lehrer als auch für die Schüler bald wieder bessere Bedingungen herrschen.