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Gerichtstheater „De Inspruch is avlehnt“

Mit der erfolgreichen Premiere für „Raphael vör Gericht“ fiel am Sonnabend der Startschuss für die 15. Spielzeit des Dorftheaters Gladigau.

Von Ralf Franke 05.03.2017, 17:46

Gladigau l Die kleine Premiere steht nach dem Dreifach-Gold-Erfolg im Rahmen des Kreis-, Landes- und Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ im vergangenen Jahr unter einem ganz besonderen Stern. Nicht zuletzt deshalb, weil die Theater-Gruppe unter dem Dach des Altmärkischen Heimatbundes an den Erfolgen einen großen Anteil hat, so Regisseur Norbert Lazay bei der Begrüßung er Gäste im Saal des „Dörpschen Kruges.

In dem Zusammenhang wies der Pfarrer auch darauf hin, dass das Dorftheater als immaterielles Weltkulturerbe ab sofort unter dem Schutz der UNESCO steht. Nicht als einzelnes Ensemble, aber als Teil der Familie, die sich der niederdeutschen Mundartpflege verschrieben hat. Was auch bedeutet, dass das Theater neben der Goldmedaille für das Dorfleben künftig zusätzlich mit dem entsprechenden Kulturerbe-Logo werben darf. Die Laienschauspieler und alle Helfer hinter den Kulissen, dürften das nicht nur als großen Erfolg feiern, sondern auch als Verpflichtung ansehen.

So darf wohl auch die neue Spielzeit gewertet werden, deren fast 1700 Karten für 18 Vorstellungen an vier Wochenenden in kürzester Zeit vergriffen waren und in deren Verlauf noch der 20 000 Besucher begrüßt werden soll.

Mit dem Spektakel rund um den schwatzhaften und musikalischen Vogel der von Christine Neumann verkörperten Witwe Nora Sturm („... wie Wind, nur etwas kräftiger“), haben die Akteure (schon wieder) ein Meisterstück abgeliefert, das allerdings noch mehr als sonst den ganzen Mann beziehungsweise die ganze Frau gefordert hat und bis zum Finale am Sonntag, 26. März, noch fordern wird. Und mit einigen Superlativen aufwartet.

Es ist das erste Stück, das mit einem Gerichtssaal nicht in einem privaten Umfeld spielt, mit gut 90 Minuten (drei Akte, ohne Pause) die bislang längste Komödie bietet, die acht Akteure – in dem Fall acht Hauptdarsteller – zur Dauerpräsenz verdonnert, deshalb von jedem so viel Text wie nie abfordert, dem Publikum aber auch einen besonderen Spaß aus Slapstick, Missverständnissen, Schlüpfrigkeiten, gepfefferten Antworten sowie köstlicher Mimik und Gestik bietet.

Die Geschichte, die in der Weimarer Republik spielt und lebhaft Erinnerungen an die „Feuerzangenbowle“ von Heinrich Spoerl oder den Roman „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich Kleist ebenso wach werden lässt wie an den legendären Gerichts-Sketch mit Helga Hahnemann und Alfred Müller, dreht sich nur am Rande um den „utjefranzten Bussard“, der Resi Wulf (Simone Wiesner) Justitia anrufen und die Angeklagte im Zeugenstand des Amtsgericht („de Klappsmöhl“) zur Hochform auflaufen lässt.

Bis Zeugin Henrike Baumeister (Beate Henning) die Unschuld von Raphael erkennt und das ausschweifende Nachtleben des Dreigestirns aus Staatsanwalt Wenzel Silberberg, Richter Josef Grosch und Anwalt Ludwig Lemmle (André Grothe, Bernd Zimmermann und Danny Schulz) aufdeckt. Das Ganze kommentiert von Gerichtsdiener Graulich (Torsten Dahms) oder Protokolleuse Frau Schnörgel (Petra Kaufmann) und begleitet vom meist gebrauchten Satz des Stückes: „Inspruch avlehnt!“

Die beiden Neulinge auf der Bühne (Zimmermann und Grothe) sind in ihrer überzeugenden Spiellaune ein großer Gewinn für das Theater, was bei der künftigen Stückauswahl und bei der Lastenverteilung auf der Bühne helfen könnte - wenn sie die 2017er Saison verkraftet haben und ein zufriedener Norbert Lazay seine Ankündigung wahr macht, um es beim nächsten Mal etwas leichter angehen zu lassen. Dass dem Dorftheater die Fans weglaufen, wenn die Komödie mal „nur“ 60 Minuten dauert, ist nicht zu befürchten.