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Breitenhagen Deichsanierungen braucht erst Katastrophe

Heinz Armin Sixdorf (74) aus Breitenhagen schreibt an einer neuen Deichchronik. Sie ergänzt sein vor elf Jahren gedrucktes Manuskript.

Von Thomas Linßner 11.02.2016, 17:52

Breitenhagen l Die Berichte seines Erstlingswerks von Deichbrüchen, Not und Evakuierungen lasen sich vor elf Jahren wie Geschichten aus längst vergangener Zeit. Es stellte sich damals die Frage: Konnte so was in Zeiten von Mondflug, Computer und üppigem Wohlstand auch heute noch passieren? Wohl kaum. Doch dann kam der Super-Gau von 2013, als der Deich brach und die Schäden bis heute noch nicht alle behoben sind. Sixdorf verarbeitete das Geschehen im vergangenen Jahr in einer reich illustrierten Broschüre über das Katastrophenhochwasser von 2013.

Jetzt kann er noch intensiver in die Geschichte zurück blicken, die uns immer wieder so einiges lehrt. Wobei dem 74-Jährigen sein bisheriges Wirken zu Hilfe kam. Denn ein unbekannt bleiben wollender Breitenhagener vermachte ihm einen Stapel historischer Unterlagen. Es hatte sich in den Jahren herum gesprochen, dass derartige Unterlagen bei Heinz Sixdorf in guten Händen sind.

Es handelt sich um 51 Aktenordner des Aken-Rosenburger Deichverbandes von 1846 bis 1952. Wo sie her stammen, ist ungeklärt. „Ich werde sie nach meiner Auswertung dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) für sein Archiv übergeben“, unterstreicht Heinz Armin Sixdorf, der viele Jahre selbst LHW-Mitarbeiter war. Dort habe man nach dieser Ankündigung „ziemlich gestaunt“, da Akten dieses Zeitabschnitts und dieses Themas dort nicht (mehr) vorhanden sind.

Betrachtet man die historischen Dokumente im Zeitraffer, wird deutlich, dass es im Elbe-Saale-Winkel zu allen Zeiten recht ungemütlich zugehen konnte. Deichbrüche kamen mehrfach vor. Grund waren immer extreme Wetterlagen und instabile Deiche. So weiß Sixdorf, dass der Bau des Breitenhagener Ringdeichs - er brach im Juni 2013 ebenfalls - in das 13. Jahrhundert zurück geht. Nach mehreren Katastrophen sei er um 1700 auf die heutige Höhe gebracht worden. Der Wall schützte Breitenhagen, bevor es die flussbegleitenden Deiche gab.

Die danach gebauten Elb- und Saaledeiche wurden ebenfalls schrittweise erhöht. Was aber fast immer erst Katastrophen brauchte und nach den damaligen Möglichkeiten geschah. Unweit der Dämme wurde das Material mit Pferdewagen und viel menschlicher Muskelkraft heran gekarrt.

1830 erfolgte die Erhöhung des Breitenhagen-Akener Deiches. Doch die Menschen im südlichen Elbe-Saale-Winkel konnten sich nur 15 Jahre beruhigt zurück legen: Im Frühjahr 1845 brach der Deich. „In der Nacht zum 3. April setzte ein Bruch die Dörfer Kühren, Aken, Mennewitz, Lödderitz und Diebzig einschließlich Rajoch und die Rosenburger Dörfer so unter Wasser, dass es eine große Not war. Man hörte das Gebrüll des Viehs und die Notrufe und Schreie der Menschen, auch Notschüsse waren zu hören“, heißt es in der Chronik.

1855 wiederholte sich die Katastrophe, als zwischen Aken und Breitenhagen der Deich erneut brach. (Dort kam es 2002 zu dramatischen Szenen, als im Lödderitzer Forst Teile der Landseite abrutschten und hunderte Helfer in der Nähe arbeiteten.)

Der Druck auf die politisch Verantwortlichen stieg. 1856 kam es schließlich zur Bildung des längst überfälligen Aken-Rosenburger-Deichverbandes. Er war Voraussetzung für die Erhöhung und Stabilisierung der Deiche, wie wir sie heute kennen.

Doch kurz vor Fertigstellung im Jahre 1862 kam es bei Aken schon wieder zu zwei Deichbrüchen. Was zur Folge hatte, den gerade fertig gestellten Damm noch mal um zwei Fuß zu erhöhen und durch ein landseitiges Bankett zu verstärken.

Heute sagen wir Berme dazu. Alle Hochwasserdämme sollen bis 2020 auf DIN-gerechte Qualität gebracht werden, wie man sie seit wenigen Monaten zwischen dem Schöpfwerk Breitenhagen und Klein Rosenburg sehen kann. Auch in diesem Fall dient die Geschichte als Blaupause: Ohne 2013 wäre es nicht so schnell zur umfassenden Deichsanierung gekommen.