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Deichbau Radfahren kann man schon 2016

Zwischen Aken und Breitenhagen liegt das Projekt Deichrückverlegung im Zeitplan.

Von Thomas Linßner 27.09.2015, 15:17

Lödderitz l Wo vor rund 370 Jahren die Bewohner Haus und Hof Hals über Kopf verlassen mussten, als es vermutlich von marodierenden Soldaten im Dreißigjährigen Krieg gebrandschatzt wurde, steht jetzt der Neubau eines Schöpfwerks. Vier Jahre, nachdem Archäologen auf der Deichtrasse Spuren dieser dramatischen Ereignisse fanden, ging es am Freitag beschaulicher zu.

Bei schönem Spätsommerwetter hatten sich rund 60 Interessenten am Lödderitzer Kuhbrückenweg eingefunden, um mit Dr. Astrid Eichhorn (Elbebüro WWF-Deutschland) und Bauüberwacher Daniel Wolkenstein über die Baustelle zu spazieren. Letzterer erklärte den aktuellen Stand der Bauarbeiten: der letzte Bauabschnitt ist zu 95 Prozent fertig, vom Schöpfwerk steht der Rohbau, im Juni 2016 können die ersten Radler auf dem asphaltierten Kronenweg von Aken in Richtung Breitenhagen strampeln. 2018 soll der 7315 Meter lange Neubau nach Abschluss aller Restarbeiten an den Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) übergeben werden. Dann ist zwischen Aken und Breitenhagen ein durchgehender Verbund überflutbarer Auenwälder geschaffen und gesichert. Nach der Mittelaufstockung im November 2009 durch den Bund und das Land Sachsen-Anhalt stehen nun bis zum Ende der Projektlaufzeit 2018 insgesamt 23,4 Millionen Euro für dieses Naturschutzgroßprojekt zur Verfügung.

Der neue Deich hat einen wesentlich stabileren Baukörper als sein Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert und ist in der Regel 70 Zentimeter höher. „Man sah es gut beim Hochwasser im Juni 2013, wo das Wasser die Aufkadung durchdrang“, sagte Daniel Wolkenstein im schönsten Fachdeutsch. Gemeint war damit: Der alte Deichabschnitt musste mit Sandsäcken erhöht (Aufkadung) werden, derweil die Neubau-Deichkrone rund einen dreiviertel Meter über dem maximalen Katastrophenscheitel lag.

Ein besonderes Interesse der Besucher galt dem neuen Schöpfwerk am Lödderitzer Klosterholz. Es soll im Hochwasserfall das Drängewasser aus dem Lödderitz/Kührener Hinterland durch den Deich pumpen. Das geschieht mittels dreier Rohre, die 800 und 600 Millimeter stark sind. Laut dem Projektverantwortlichen Thomas Braun erreichen die Pumpen eine Maximalleistung von 2,5 Kubikmeter pro Sekunde. Hier ist es besonders der Dröningsgraben, der das Wasser im Raum Lödderitz auffängt. Um bei dieser Saugleistung auch die „richtigen Flächen“ abzupumpen, muss zusätzlich in Richtung Krügersee ein Absperrbauwerk errichtet werden. „Das wird geschlossen, damit nicht der Krügersee leer läuft“, erklärte Daniel Wolkenstein.

Das neue Schöpfwerk soll vom LHW per Datenleitung videoüberwacht werden. Es wurde von dort ein rund 500 Meter langer Graben zum Dröningsgraben gebaut. In der Nähe des Schöpfwerks ist auch der Aufbau eines Containers für die Deichwachen vorgesehen. Bisher gab es auf dem alten Damm zwei Deichwachthäuser aus Fachwerk, die nach dessen Außerbetriebnahme und Schlitzung überflüssig werden.

Die Deichbaumaßnahme ist das bisher umfassendste Vorhaben der Umweltorganisation WWF-Deutschland. Mit der Deichrückverlegung werden 600 Hektar naturnahe Auen zurück gewonnen und damit zusätzlicher Überflutungsraum für die Elbe zur Verfügung gestellt. Der Hochwasserscheitel soll auf diese Weise gesenkt, die Gefahr von Deichbrüchen verringert und der größte zusammenhängende Auenwald Deutschlands wieder einem natürlichen Überflutungsgeschehen unterworfen werden.

Lödderitzer Bürger überreichten der WWF-Vertreterin einen offenen Brief, in dem sie die Umweltverträglichkeitsstudie kritisieren. Hinter dem neuen Deich soll sich die Natur selbst helfen, was die 150 Lödderitzer per Unterschrift anzweifeln.