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Im Gespräch Mehr Achtung vor dem Ehrenamt

Dietrich Zosel setzt sich in Stendal für das bedingungslose Grundeinkommen ein.

Von Jannah Fischer 03.12.2016, 01:00

Stendal l „Als Ingenieur sehe ich die Zusammenhänge, bevor es andere sehen. So ist es meine Aufgabe, etwas zu tun“, sagt Dietrich Zosel, Diplom-Ingenieur und Leiter und Gründer der Repair Cafés Stendal. Dabei wird seine sanfte Stimme laut, er schlägt mit der Faust auf den Tisch. Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Thema, dass Zosel mit Leidenschaft vertritt.

Seiner Ansicht nach sollte das Modell in Stendal getestet werden. „Ich denke, der Grund, wieso es nicht ausprobiert wird, ist, dass die Politiker Angst haben, dass es klappt.“ Dann stünde eine Veränderung der Gesellschaft vor der Tür. Denn: Bedingungsloses Grundeinkommen heißt für Zosel soziale Gerechtigkeit. „Wer heute bei dem schnellen Tempo nicht mithält, fällt hinten runter“, sagt Zosel. „Solche Leute verlieren das Vertrauen in die Politik. Die wählen dann AfD, Trump oder Front National.“ Eine Entwicklung, die ihm Angst macht.

Umso mehr setzt er sich für die ein, die von der Politik vergessen werden. „Hausfrauen oder ehrenamtliche Tätigkeiten nicht zu entlohnen, ist eine Missachtung von Arbeit, die in der Gesellschaft dringend nötig ist.“ Er möchte nur die entlohnen, die es brauchen – darum sorgt er sich auch nicht um die Finanzierung. Jeder bekäme zwar das Geld, auch die mit Job. Von denen könne man es einfach wieder versteuern. So bräuchte es nur 30 Milliarden Euro im Jahr, rechnet Zosel vor. „Prostitution oder Schmuggel zählen zum Bruttosozialprodukt dazu! Wieso nicht das Ehrenamt? Herrgottnochmal, das ist ja wohl das Mindeste!“ Wieder schlägt er mit der Faust auf den Tisch. Wieder schwingt Leidenschaft mit in der Stimme. Schon seit Jahren hält er zum Thema Vorträge. Auf Fragen hat er immer die passende Antwort. Zosel ist bestens – oder bedingunglos – vorbereitet.

Fünf von sechs Arbeitnehmern arbeiten nur wegen des Geldes. „Bekäme jeder 1000 Euro im Monat, könnte jeder den Job verrichten, den er für sinnvoll hält. Das würde der Gesellschaft viel Nutzen und Innovation bringen.“ Und wenn die Leute einfach nicht mehr arbeiten würden? „Nach ein paar Wochen Nichtstun kommt die Frage nach dem Sinn. Danach sucht der Mensch im Leben.“ Für Dietrich Zosel liegt dieser Sinn scheinbar sich für das bedingungslose Grundeinkommen einzusetzen. „Als Ingenieur sehe ich die Zusammenhänge, bevor es andere sehen. Und Ingenieur, das bleibt man ein Leben lang.“