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Syrischer DJ Syrer will Radio-Café in Stendal eröffnen

Muhamad Al Zain lebt seit neun Monaten in Stendal. Der Syrer möchte hier ein Radio-Café eröffnen, aus welchem live gesendet wird.

Von Anne Toss 12.03.2016, 00:01

Stendal l Muhamad Al Zain sitzt auf einem Sofa in einer kleinen Wohnung in der Stadtseeallee. Obwohl die Einrichtung noch recht spartanisch ist, kann man bereits erkennen, dass Musik im Leben des Syrers eine besondere Rolle spielt. Zwei Gitarren lehnen an der Wohnzimmerwand, ein Schreibtisch mit DJ-Ausstattung, Laptop und einem dicken Ordner voller CDs dient als Studio-Ersatz. An der Wand hängt ein Bild im Graffiti-Stil, es zeigt einen DJ beim Auflegen. „Mein Studio befindet sich genau hier in diesem Zimmer“, bestätigt Al Zain den ersten Eindruck.

Als DJ, Tontechniker und Musikproduzent war der 29-Jährige, der gebürtig aus Damaskus (Syrien) kommt, seit 2011 in Beirut (Libanon) für einen Radiosender tätig. Doch dann verschärfte die libanesische Regierung die Aufenthaltsregelungen für Syrer im Land. „Für einen Moment saß ich fest“, sagt Al Zain, „denn wäre ich zurück nach Syrien gegangen, hätte ich in die Armee eintreten müssen – und das wollte ich nicht.“ Deshalb traf er die Entscheidung ins Ausland zu gehen: „Der Plan war einfach nur, da rauszukommen.“

Kurz vor seiner Ausreise berichtete das französisch-sprachige Kulturmagazin „L‘Agenda Culturel“ noch über den Discjockey. Der Beitrag mit dem Titel „Begegnung mit Moe-Z, einem syrischen Dj, der Beirut tanzen lässt“ wurde vor knapp einem Jahr veröffentlicht. Ein Jahr, in dem sich das Leben von Al Zain grundlegend verändert hat. Gleich geblieben ist jedoch seine Liebe zur Musik, der zurzeit seine ganze Konzentration gilt.

„Ich habe mit Jazz-Musik angefangen und bin jetzt bei Psychedelic Trance gelandet“, berichtet der Syrer. Deshalb habe er auch keinen Lieblingskünstler, sondern mehrere Vorbilder aus verschiedenen Genres. Ray Charles für Jazz zum Beispiel. Oder Carlos Santana als Gitarrist.

In seinen eigenen Produktionen verschmelzen die unterschiedlichen Einflüsse oftmals miteinander. „Ich habe auch schon einen traditionellen arabischen Rhythmus unter ein Lied von Chris Brown gelegt“, sagt Al Zain. In seiner Heimat war der DJ mit seiner Musik durchaus populär: „Ich würde nicht sagen, dass ich berühmt war“, berichtet der 29-Jährige, „bekannt trifft es meiner Meinung nach aber ziemlich gut.“

In Stendal absolviert Al Zain mittlerweile ein Freiwilliges Soziales Jahr am Theater der Altmark. Er begleitet als DJ das Welcome-Café und wird in naher Zukunft einen DJ-Workshop mit Kindern durchführen. „Zum DJ-Sein gehört mehr dazu, als auf i-Tunes zu gehen und Musikstücke auszuwählen“, sagt Al Zain, „und wenn Jugendliche wirklich daran interessiert sind, dann würde ich in meiner Wohnung im Anschluss an den Workshop auch privat Kurse anbieten – kostenlos natürlich.“

Doch Muhamad Al Zain hat noch viel mehr Ideen im Kopf, die er gerne in Stendal umsetzen würde. „Meine Vision ist, hier eine Bar aufzumachen, aus der dann live gesendet wird. So wie es in Beirut der Fall war“, erklärt Al Zain. Der Sender Radio Beirut ist nämlich das erste Radio-Café im Mittleren Osten, das eine direkte Live-Übertragung über das Internet betreibt. „Wenn man sich also entschlossen hat, in das Café zu gehen, konnte man zuhause schon übers Radio erfahren, was dort passiert“, berichtet der DJ, „man verpasste also nichts.“ Eine Live-Radio-Bar – vor allem für die Studenten der Hochschule sei das eine gute Sache, findet Al Zain.

Aber der Syrer ist sich auch bewusst, dass er seine Idee ohne Unterstützung von Mitstreitern kaum umsetzen kann. „Manchmal denke ich, dass nur ich etwas in Stendal bewegen will. Ich brauche Mitstreiter, nicht nur Geld. Ich brauche Menschen, die sagen: Ja, lass uns das machen!“

Für die nächsten drei Jahre möchte Al Zain in Stendal bleiben und seine Deutschkenntnisse noch weiter verbessern. Die Situation in Syrien, wo seine Eltern und Brüder leben, versucht der 29-Jährige so gut es geht auszublenden. „Natürlich bin ich traurig und natürlich ist es schwer für mich, darüber nachzudenken“, sagt er, „aber wenn ich immer daran denke, werde ich depressiv. Mit meiner Musik will ich aber Menschen glücklich machen. Wenn ich selbst nicht glücklich bin, kann ich das nicht.“

„Ein DJ, der Beirut tanzen lässt“ – vielleicht trifft diese Aussage über Al Zain ja auch bald auf Stendal zu.