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Ortstentwicklung Schierke finanziert sich quasi selbst

Im Interview hält Andreas Meling vom Team Schierke Rückschau auf acht Jahre Ortsentwicklung.

Von Ivonne Sielaff 27.04.2017, 11:24

Volksstimme: Wie bewerten Sie die bisherige Projekt-Umsetzung?

Andreas Meling: Ganz ehrlich: Schierke ist bisher volkswirtschaftlich gesehen eine Erfolgsgeschichte. Schade, dass das vielfach so kaputt geredet wird. In der Vergangenheit mussten wir viel Kritik einstecken – vor allem von der Bevölkerung und der lokalen Politik. Damit umzugehen, mussten wir lernen. Denn auch das gehört zu unserer Aufgabe. Und am Ende gab es auch vielfach breite Unterstützung. Trotzdem fragt man sich: Liegen wir falsch, oder kommunizieren wir nicht richtig? Wir haben in acht Jahren viel geschafft. Die großen Projekte wie Sandbrinkstraße und Parkhaus sind durch. In diesem Jahr wird die Schierker Feuerstein-Arena fertig. Unzählige kleinere Projekte konnten umgesetzt werden. Das ist ein total erstaunliches Ergebnis.

Woran machen Sie den Erfolg fest?

Nehmen wir die blanken Zahlen: 31,5 Millionen Euro wurden bisher investiert. Man muss sich das mal vorstellen, wir haben sozusagen zwei Landesgartenschauen in Schierke verbaut. Es ist schon sensationell, wie unsere doch kleine Stadtverwaltung die Projektentwicklung vorangetrieben hat. Geschätzt 80 Prozent des Geldes konnte in der Region an Unternehmen vergeben werden. Eine bessere Wirtschaftsförderung gibt es kaum.

Zurück zu den Zahlen: Wie viel Fördergeld ist in den letzten Jahren geflossen?

27,5 Millionen Euro stammen aus Fördertöpfen des Landes. Das unterstreicht, welche Bedeutung die Ortsentwicklung für das Land hat. Der städtische Eigenanteil liegt bisher bei unter fünf Millionen Euro. Das heißt, über die letzten acht Jahre gerechnet haben wir als Stadt pro Jahr durchschnittlich etwa 500.000 Euro beigesteuert.

Von vielen Wernigerödern hört man immer wieder die Kritik, Schierke kostet nur, für die Stadt bleibt immer weniger Geld. Stimmt das?

Nein. In Schierke werden etwa 367.000 Euro Kurtaxe und 210.000 Euro Gewerbesteuer pro Jahr eingenommen. Damit finanzieren die Schierker den Investitionanteil der Stadt im Grunde genommen selbst. Parkgebühren und Einkommenssteueranteile sind da noch nicht einmal eingerechnet. Richtig ist aber auch, dass das Solidarprinzip greift, wenn es um die langfristige Betreibung der städtischen Infrastrukturen geht. Und was immer vergessen wird ist, dass die Fördermittel für keine anderen Projekte zur Verfügung gestanden hätten. Wir hatten also nie die Wahl zwischen Projekten in Schierke und Wernigerode.

Also eine unfaire Kritik?

Ja, denn im Kontext des Gesamthaushaltes gesehen verdienen die Schierker das Geld mit ihren Gästen, das wir als Stadt als Eigenanteil brauchen, um die Investitionen für die Entwicklung des Ortes zu stemmen. Und wir ernten bereits die ersten Früchte: Private Investoren ziehen nach – das neue Ferienresort auf dem Heine-Gelände, die Bergwaldlodges, die Erweiterung der Ferienanlage Zum Wildbach und viele Kleinprojekte. Zusammen sind das etwa 20 Millionen, die seit 2009 privat investiert worden.

Und was bringt Schierke den Wernigerödern?

Schierke ist ein attraktiver Ortsteil, ein Aushängeschild für den Tourismus. Das kleine Schierke hat etwa genauso viele Übernachtungen wie die Weltkulturerbestadt Quedlinburg, ist touristisch gesehen einer der wichtigsten Bausteine für die Stadt Wernigerode. Kurtaxe und Gewerbesteuer fließen in den städtischen Haushalt. Interessant auch, nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergibt sich für Schierke eine touristische Wertschöpfung von 50 Millionen Euro jährlich. Deshalb empfehle ich, Schierke nicht als Feind, sondern als Freund zu sehen. Schließlich profitieren wir in Wernigerode und im Harz von einer solchen Entwicklung.

Und wohin geht die Reise? Behält Schierke die Finanzkraft, damit Wernigerode dort weitere Projekte umsetzen kann?

Die touristischen Kennzahlen sind positiv, sodass ich davon ausgehe, dass auch in den nächsten Jahren signifikante Einnahmen durch Schierke erwirtschaftet werden können. Wir stecken unsere ganze Kraft in das Ganzjahres-Erlebnisgebiet am Winterberg. Die Realisierung wäre ein wichtiger Meilenstein, mit dem wir die Verweildauer der Gäste und die Wertschöpfung weiter steigern könnten. Aber das Projekt ist schwierig – vor allem politisch gesehen.

Steht nur der Winterberg im Fokus?

Als Stadt wollen wir auch andere Projekte angehen: Wir müssen das Kita-Problem lösen, müssen überdenken, wie wir das Rathaus in Zukunft nutzen. Die Kurgastinformation ist nicht auf dem Stand, auf dem sie sein sollte. Für die Gestaltung der Ortsmitte sind Ideen gefragt. Und Schierke braucht eine Qualitätsoffensive, bei der in erster Linie die Schierker mitziehen müssen. Die Konkurrenz im Ort erwächst mit modernem Marketing und neuen Angeboten. Das kann Gäste wegsaugen, wird aber auch neue Leute und neue Einnahmen bringen. Denn die Urlauber wollen einkaufen und essen gehen. Und die Investoren der neuen Ferienanlage werden hier vor Ort Kurtaxe und Gewerbesteuer abführen. Deshalb, zur vorher gestellten Frage noch einmal: Ja, unsere Wirtschaftskraft wird reichen.