1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Grundschüler übernehmen Verantwortung

Streitschlichter Grundschüler übernehmen Verantwortung

Konflikte lösen und für Mitschüler da sein - das sind Aufgaben der Mediatoren an der Zerbster Schule "An der Stadtmauer".

Von Emily Engels 18.01.2017, 05:00

Zerbst l Für Leonie Warnke (9) ist es ganz klar, warum sie Streitschlichterin geworden ist. Sie erklärt: „Ich wollte schon immer anderen Menschen helfen.“ Die Worte, die aus dem Mund der Neunjährigen kommen, klingen bestimmt und selbstsicher. „Es ist schon beeindruckend, wie verantwortungsbewusst die Kinder wirken“, findet auch Schulsozialarbeiterin Kathlen Michalek.

Seit August ist sie über das ESF-Programm „Schulerfolg gemeinsam sichern“ an der Grundschule „An der Stadtmauer“ tätig. Die Ausbildung von sieben Grundschülern zu Streitschlichtern hat sie genauso übernommen, wie die schriftliche Prüfung, die die Streitschlichter absolvieren mussten. Die Ausbildung habe es ganz schön in sich. „Wir sind mit zwei Gruppen gestartet“, erzählt sie. Von den Schülern seien jedoch viele abgesprungen. Völlig normal, findet Michalek. „Die Schüler probieren sich schließlich aus. Und Streitschlichter zu sein, ist nicht für jeden das richtige“, beschreibt sie weiter.

Gleich zu Beginn der Ausbildung haben die Schüler erfahren, wie schwer es sein kann, ein Mediationsgespräch zu führen. Nach und nach haben sie dann laut Kathlen Michalek die Stufen der Mediation kennengelernt. Dazu gehören zum Beispiel Fragestellungen wie: „Was ist passiert?“, „Wie hast du dich gefühlt“, „Was war vor dem Streit?“, „Was für Lösungsvorschläge gibt es“ und die Aushandlung eines „Vertrags“.

Um die Theorie gleich in die Praxis umzusetzen, hat es während der Ausbildung außerdem Rollenspiele gegeben. „Wenn sie es einmal durchgespielt haben, können die Kinder sich besser auf die unterschiedlichen Situationen einstellen“, erklärt Michalek.

Ganz wichtig sei am Ende einer Streitschlichtung der Vertrag, der zwischen den Streitparteien aufgestellt wird. „Dieser beinhaltet unter anderem einen selbstgefundenen Lösungsvorschlag und den Termin für ein Nachtreffen“, sagt Michalek.

Doch woher wissen die Schüler, wann und zu welchem Streitschlichter sie gehen wollen? „Dafür gibt es eine Art Dienstplan“, beschreibt Michalek. So können sich die Schüler daran orientieren, zu welchem Streitschlichter sie gehen möchten. Wichtig sei dabei auch, dass der Streit an einem neutralen Ort geschlichtet wird. „Bei uns an der Grundschule findet die Mediation im ‚Spielzimmer‘ statt“, so Michalek.

„Nahezu alle Kinder wissen zwar, dass sie sich nicht streiten, beschimpfen oder schlagen sollten, sie wissen jedoch nicht, wie sie sich stattdessen verhalten sollen“, beschreibt Michalek weiter.

Denn häufig werden sie während eines Streits oder einer anderen Konfliktsituation von Emotionen überrollt und fühlen sich hilflos und mit den Emotionen allein gelassen.

Ziel des Projektes sei es deshalb, dass sich die Schüler eher trauen, zu einem Streitschlichter zu gehen, um einen Streit zu lösen. Denn die jungen Schüler seien dazu ausgebildet, den Streit zu lösen, ohne zu urteilen. „Sie sollen eher als gleichberechtigte Partner gelten“, erklärt Michalek.

Vermittelt werden soll durch das Projekt auch, dass Konflikte gewaltfrei gelöst werden können. „Durch eine Mediation bei einem Streitschlichter können die Konfliktparteien die Bedürfnisse, die hinter einem Konfliktpunkt liegen, offen legen und dadurch einen Lösungsweg finden, mit dem beide Parteien einverstanden sind“, führt die Schulsozialarbeiterin aus.

Für eine gewaltfreie Konfliktlösung seien folgende „Kennzeichen“ wichtig:

• Streitschlichtung erfolgt immer auf freiwilliger Basis. Wird jemand gezwungen, zum Streitschlichter zu gehen, ist eine Konfliktlösung unmöglich

• Streitschlichtung ist ein informelles Verfahren. Das heißt: Es werden keine Strafmaßnahmen verhängt

• Streitschlichtung ist ein allparteiliches Verfahren. Ein Streitschlichter verhält sich neutral, er greift nicht in die Lösungsfragen ein, er stellt ausschließlich die Methode zur Verfügung

• Die Mediation findet in einem vertraulichen Raum statt. Gesprächsinhalte und Vereinbarungen werden nur mit Einverständnis aller Beteiligten weitergegeben

Aufgaben, denen die sieben ausgebildeten Mediatoren der Grundschule an der Stadtmauer voller Spannung entgegensehen.