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Aufklärer der NSA-Affäre ziehen Zwischenbilanz "Alles, was Snowden sagt, ist echt"

13.03.2015, 01:21

Magdeburg | Die ganze Wahrheit wird wohl im Spionage-Skandal nie ans Licht kommen, da ist sich Hans-Christian Ströbele sicher. Der Grünen-Politiker findet aber, dass sich die parlamentarische Untersuchung der Aktivitäten deutscher und internationaler Geheimdienste bereits gelohnt hat. "Unsere Prüfungen haben ergeben, dass alles, was Snowden sagt, echt ist - das bestreitet mittlerweile nicht mal mehr die NSA."

Seit knapp einem Jahr arbeitet der Untersuchungsausschuss des Bundestages nun schon die Enthüllungen des amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden auf, versucht zu klären, ob Daten deutscher Bürger, Behörden und Unternehmen massenhaft ausgespäht wurden. Über ein Zwischenfazit diskutierte Ströbele deshalb am Mittwochabend mit den SPD-Politikern Burkhard Lischka und Christian Flisek in Magdeburg.

Und dabei wurde zunächst einmal klar: Eine einheitliche, parteiübergreifende Lesart der Affäre wird es wohl nicht geben. Für Christian Ströbele steht fest: "Es hat Massenüberwachung gegeben, auch mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes." Der BND habe unter anderem den Frankfurter Datenknotenpunkt der Deutschen Telekom angezapft und Daten an den amerikanischen Geheimdienst NSA weitergegeben. Darunter wohl auch Daten deutscher Bürger.

Ströbele will Snowden nach Berlin holen
Christian Flisek, der wie Ströbele im Untersuchungsausschuss sitzt, sieht das anders. Die deutschen Geheimdienste würden zwar mit internationalen Diensten kooperieren, es gäbe aber keine Anhaltspunkte, dass Daten deutscher Bürger massenhaft weitergegeben wurden. Beim Knotenpukt in Frankfurt seien vor allem Informationen von Ausländern abgefangen worden.

Uneinig sind sich beide Politiker auch über die Aktivitäten der NSA und des BND im bayrischen Bad Aibling. Ströbele moniert, von der Lauschstation aus hätten die Dienste 500 Millionen Metadaten von Telefongesprächen abgefangen, darunter auch die von deutschen Bürgern. "Sie konnten zwar die Gesprächsinhalte nicht auswerten, konnten aber feststellen, wer mit wem wie oft von wo aus telefoniert hat", so der gebürtige Hallenser Ströbele. Die NSA könne mit Hilfe dieser Daten Terroristen lokalisieren - und im Zweifelsfall töten.

SPD-Politiker Flisek zweifelt daran grundsätzlich nicht, hält es aber für unwahrscheinlich, dass massenhaft ausgespäht wurde und dass auch deutsche Bürger im großen Stil überwacht wurden. "Wir sind mit unserer Ausschussarbeit aber noch längst nicht am Ende, die Sachlage kann sich jede Woche ändern", so Flisek.

Ein Hauptproblem ist und bleibt für die Aufklärer eben der Zugang zu Informationen. "Ohne die Enthüllungen von Edward Snowden würden wir heute von den Aktivitäten der Geheimdienste gar nichts wissen", betont Ströbele. Er wirft der schwarz-roten Regierungskoalition allerdings auch vor, die Aufklärung aus Rücksicht auf die USA zu erschweren. "Es ist ein Witz der Weltgeschichte, dass Edward Snowden - ein Kämpfer für Demokratie - nur in Moskau Zuflucht findet."

Parlament soll Dienste schärfer kontrollieren
Ströbele will sich weiter dafür einsetzen, dass Snowden vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin aussagt und Schutz vor Strafverfolgung erhält. "Ich weiß, das ist ein sensibles Thema, aber es kann doch nicht sein, dass sich ganz Europa vor den Amerikanern wegduckt." Eine Kritik, die Christian Flisek als Mitglied der Regierungskoalition unbeantwortet lässt. Der SPD-Politiker hadert lediglich damit, dass Snowden nicht von Moskau aus per Video-Übertragung den Aufklärern Auskunft gibt - und bestätigt damit Ströbeles Eindruck noch: Informationen ja, aber doch bitte keinen Ärger mit den Amerikanern.

Beide Aufklärer sind sich trotz mancher Meinungsverschiedenheiten aber einig, dass die Affäre Konsequenzen haben muss. Flisek betont, das Parlament müsse vor allem die Aktivitäten deutscher Geheimdienste schärfer kontrollieren, hierfür seien auch Gesetzesänderungen nötig. Ferner müsse die nationale IT-Infrastruktur ausgebaut werden. "Über die digitalen Wolken herrschen derzeit fast nur die US-Firmen, die zur Zusammenarbeit mit Geheimdiensten verpflichtet sind", so Flisek weiter.

Ähnlich sieht das Hans-Christian Ströbele. Er gibt aber zu bedenken: "Die Geheimdienste kann man nie völlig kontrollieren." Die massenhafte Überwachung ohne Anfangsverdacht müsse jedoch ein Ende finden.