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Der Bundestagsabgeordnete Jan Korte hat seine Erfahrungen als Politiker im Osten mit westdeutschen Wurzeln aufgeschrieben Warum ein linker Osnabrücker in Anhalt gern auf den Tisch klopft

Von Steffen Honig 30.03.2013, 02:12

Das knallige Rot auf dem Einband seines Buches hat Signalwirkung: Jan Korte ist direkt gewählter Vertreter der Linkspartei für Anhalt-Bitterfeld im Deutschen Bundestag. Der Erfahrungsbericht "Geh doch rüber!" ist aber kein politisches Buch, aber die Politik kommt nicht zu kurz. Das geht bei dieser Vita auch schlecht.

Schließlich ist der gebürtige Osnabrücker Korte aus dem Westen nach Sachsen-Anhalt gekommen, um hier ein Bundestagsmandat zu holen. Das hat er 2005 über die Liste, vier Jahre später direkt geschafft. Auch dank des offenen Wesens, das in seinen Buch deutlich wird.

Bei der Eingewöhnung stolperte er zunächst über manche ostdeutsche Besonderheiten, die sich in den mehr als zwei Jahrzehnten einigem Deutschland nicht verwischt haben. Das beginnt bei der Begrüßung. Korte war das Auf-den-Tisch-klopfen zu diesem Zweck genauso fremd wie der übliche Händedruck zur Begrüßung.

Damit kommt Korte inzwischen klar, ebenso wie mit der für ihn ungewohnten Pünktlichkeit bei Parteiveranstaltungen. Mal so eine Viertelstunde später erscheinen - das musste er sich schnell abgewöhnen. Wenn es in Sachsen-Anhalt um neun Uhr losgehen soll, dann geht es auch Schlag neun los, Punktum!

Es wird in Bitterfeld und drumherum an der politischen Basis auch anders debattiert als in Niedersachsen mit den "Schwatten" und "Sozen", hat der 35-Jährige festgestellt. Im Osten geht es eher konsens-orientiert und weniger ideologisch zu. "Streit kann stattfinden, aber bitte in ordentlichen Formen und Bahnen", schreibt der studierte Politikwissenschaftler und lässt dabei fast einen Seufzer der Erleichterung in Anbetracht üblicher Bundestagserfahrungen spüren. Der Ton des Buches ist meist vergnüglich, ohne aufgesetzt zu wirken. Mit der political correctness nimmt es Korte aber übergenau: Häufig ist von Genossinnen und Genossen oder Bürgerinnen und Bürger, die Rede, was an ein Manuskript für eine Wahlkampf erinnert.

Der frühere Grüne kommt natürlich nicht um sein liebstes Hobby drumherum: das Angeln. Wobei er anfangs wieder über Ost-West-Unterschiede stolperte. So stellte er erstaunt fest, dass die Anglerverbände noch Jahre nach der Wende getrennt waren. Dazu kam die verblüffende Erkenntnis, dass die Angler im Osten mehr Freiheit genossen: Mit ihrem Angelschein hatten sie einen größeren Aktionsradius als ihre westdeutschen Kollegen, die ihre Angel nur in begrenzten Revieren auswerfen durften. Hier hat die Aktualität Kortes Buch indes schon überholt. Seit wenigen Wochen sind die Petrijünger in Ost und West in einem Verband vereint - mehr als 22 Jahre nach der Wiedervereinigung.

Eine kleine Aufgabe gibt Korte seinen Lesern indirekt noch mit auf dem Weg. Die verschiedenen Politikertypen - wie Schleimer, Untertan oder Streber - die er charakterisiert, kann jeder anhand eigener Beobachtungen nachvollziehen. Der Bundestagswahlkampf ist dazu wunderbar geeignet.