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Friedrich-Ebert-Stiftung lädt zur Debatte über Herausforderungen an die europäische Politik "Was will Europa eigentlich sein?" Mit Transparenz und Visionen gegen die Krise

Von Tina Heinz 01.03.2012, 04:28

Mit jedem weiteren Schuldengipfel, mit jeder neuen Debatte über die Aufstockung des Rettungsschirms und mit jeder Diskussion über einen Schuldenschnitt wächst das Misstrauen in die Politik. Und die Hoffnung, dass das Dauerthema Griechenland-Rettung nicht täglich auf der Agenda erscheint und somit eine langfristige Lösung in Aussicht ist, schwindet.

Wie die Herausforderungen, vor welche die Schuldenkrise die europäische Politik und Wirtschaft stellt, gemeistert werden können, darüber haben Wirtschaftsexperten und Politiker am Dienstagabend in Magdeburg diskutiert. Heiko Geue, Staatssekretär im Finanzministerium Sachsen-Anhalt, Hinrich Holm, Mitglied des Vorstands der Nord LB Magdeburg, und Klaas Hübner, Unternehmer, erörterten auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung, wie das verlorengegangene Vertrauen wiedergewonnen werden kann.

Für Heiko Geue führt der Weg zu mehr Vertrauen in die deutsche, aber auch in die europäische Politik über eine starke Regierung. Ständige Meinungswechsel, um den Koalitionspartner nicht zu verärgern, seien der Hauptgrund für die derzeit vorherrschende Politikverdrossenheit, meint der Staatssekretär. "Wir sehen leider tagtäglich, dass die Regierung mehr mit sich selbst kämpft. Das wichtigste Thema in den vergangenen Monaten war: Wie bleibt die Regierung zusammen?", so Geue. Im Zuge dessen seien Entscheidungen gefallen, die unter einer stabilen Regierung anders ausgesehen hätten.

Hinrich Holm wünscht sich, um die Vertrauensbasis wieder aufzubauen, eine Vision für Europa. "Was will Europa eigentlich sein? Der Name eint zwar, aber aus den Handlungen geht diese Einheit nicht hervor."

Ebenso wichtig ist für Holm mehr Transparenz. Auf der Ausgaben-Seite funktioniere das sehr gut. "Wir wissen, was an Finanzkraft gebraucht wird, um Griechenland zu helfen. Das sind die 110 Milliarden Euro vom letzten Mal und jetzt kommen noch 130 Milliarden hinzu." Nach Holms Ansicht eine Größenordnung, die sich Europa leisten kann. "Auf der Einnahmen-Seite hingegen muss die Transparenz noch erhöht werden", meint Holm. So müsse beispielsweise geklärt werden, in welche Investitionen in Griechenland das Geld fließt.

Mehr Transparenz und Visionen werden nicht ausreichen, um die Skeptiker zu überzeugen, die Griechenland lieber aus der Währungsunion werfen würden. Für Klaas Hübner ist es verständlich, dass es diesbezüglich Ressentiments gibt. "Als Griechenland damals in die Eurozone aufgenommen wurde, geschah dies aufgrund von gefälschten Zahlen. Natürlich sagen die Leute: Die haben sich reingemogelt und jetzt sollen wir für sie zahlen", meint Hübner.

"Doch wie geht es weiter, wenn wir Griechenland gehen lassen?", fragt Heiko Geue. "Dadurch können wir das Vertrauen auch nicht zurückgewinnen. Wer garantiert, dass dann Spanien oder Italien oder Portugal nicht auch das gleiche Schicksal ereilt?" Der Staatssekretär im Finanzministerium sieht einen Lösungsansatz im Kern des Problems.

"Der Kern des Problems sind in erster Linie nicht die großen Schuldenberge der anderen Staaten. Sondern die riesigen wirtschaftlichen Ungleichgewichte, die dafür sorgen, dass sich die Länder trotz Sparmaßnahmen nicht erholen", erklärt Geue. Diese Ungleichgewichte könnten nur durch einheitliche Mindeststandards in Europa behoben werden. So schlägt Geue beispielsweise Mindeststandards für Steuersätze und auch im Sozialbereich - wie etwa die Rente mit 65 überall in Europa - vor.

Zusätzlich wird eine Art Marshall-Plan benötigt, sind sich Klaas Hübner und Heiko Geue einig - ein Programm, welches über öffentliche Investitionen dazu beiträgt, dass sich die Wirtschaft Griechenlands wieder erholt. "Wenn wir nur eine Politik der Sparmaßnahmen verfolgen, wird die Wirtschaftsleistung Jahr für Jahr zurückgehen. Wir werden immer weiterzahlen, wenn wir nicht gleichzeitig sparen und das Wachstum fördern", so Geue.

Hübner gibt dabei zu bedenken, dass der Marshall-Plan seinerzeit einfacher zu installieren war, weil es andere politische Konstellation gab. "Die Amerikaner waren daran interessiert, Westdeutschland wirtschaftlich zu stärken, um an der sich abzeichnenden Kalten-Kriegs-Front einen starken Partner an ihrer Seite zu haben", erklärt Hübner. "Schade, dass Deutschland keine führende Rolle übernommen hat, um aus eigener Erfahrung zu erzählen, wie eine solche Erfolgsgeschichte aussehen kann."