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Konzernansiedlungen Die Geschichte der grünen Wiese

Durch Schuldenabbau und Ansiedlungen großer Unternehmen hat sich Sachsen nach dem Fall der Mauer den Ruf als Musterknaben unter den neuen Bundesländern erarbeitet. Doch Sachsen-Anhalt muss sich vor dem großen Nachbarn nicht verstecken.

Von Dominik Bath und Matthias Stoffregen 17.11.2014, 01:17

Magdeburg/Leipzig l Es war einmal eine grüne Wiese. So beginnt die Geschichte, die Detlef Schubert erzählt, wenn er darüber spricht, wie er Porsche und BMW nach Leipzig geholt hat. Von 1997 bis 2006 war Schubert als Beigeordneter der Stadt für Unternehmensansiedlungen zuständig und hocherfolgreich. Nicht nur die beiden Autokonzerne aus Süddeutschland sondern auch die Logistiker DHL und Amazon begeisterte er für die Messestadt. Das war teuer. "Wir haben jedes Jahr zwei, drei Millionen Euro ausgegeben und waren ständig unterwegs, um den großen Fisch an Land zu ziehen", erinnert sich der 68-Jährige.

Ende der Neunzigerjahre besichtigte der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking die Fläche, auf der heute die Porsche-Hallen stehen. "Eine grüne Wiese mit einer Straße hindurch. Mehr war da nicht", erzählt Schubert. Wenig später begannen die Bauarbeiten auf dem 200 Hektar großen Gelände.

Der Nachbar aus Bayern folgte. Vor der BMW-Ansiedlung stach die Stadt Leipzig 250 Konkurrenten aus Europa aus. "Entscheidend war die sehr gute Infrastruktur", sagt Firmensprecher Jochen Müller. Rund 1,2 Milliarden Euro investierte der Autobauer aus München. 360 Millionen Euro Fördermittel flossen in den Bau. Für die Region Leipzig-Halle ein gutes Geschäft. Jeder Arbeitsplatz bei BMW bringt drei neue Jobs, stellte eine Studie der Universitäten Leipzig und Halle-Wittenberg fest.

Mittlerweile arbeiten für die beiden Autobauer in der sächsischen Metropole fast 9000 Menschen. Die Sachsen sind stolz. Jedes zehnte in Deutschland produzierte Auto kommt aus dem Freistaat. Jeder zweite in Europa hergestellte Chip aus "Silicon Saxony". Die Region Dresden ist Europas größter Mikroelektronik-Cluster. Bei Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind die Sachsen bundesweit führend. Und sie sparen: Der Freistaat hat die geringste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Seit der Wende wurden konsequent Schulden abgebaut.

"Sachsens Industrie ist vielfältig und kann mit einer hohen Exportintensität punkten", erklärt Gerhard Heimpold vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Zudem setzen die beiden Technischen Universitäten in Chemnitz und Dresden Impulse für Innovationen im Mittelstand. Mit der Landeshauptstadt und Leipzig gibt es zwei Großstädte. Den Nachbarn Sachsen-Anhalt lässt das mitunter blass erscheinen. Sachsen-Anhalts ehemaliger Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) wünscht sich mehr Selbstbewusstsein bei seinen Landsleuten. "Über die Werke von BMW und Porsche wird gejubelt", sagt der Ökonom. "Die Industrie, die es in Sachsen-Anhalt gibt, ist bei Weitem nicht so spektakulär. So wird die große Wertschöpfung durch die Chemieindustrie in der Bevölkerung nicht wahrgenommen", kritisiert der 58-Jährige.

Aus den Schwächen sind Stärken geworden

"Die Zahlen liegen nicht so weit auseinander", sagt auch Detlef Schubert, der nach seiner Zeit in Leipzig von 2006 bis 2011 auch Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt war. "Nach der Wende hatte Sachsen-Anhalt einen viel schwierigeren Start", erklärt er. Die großen Chemiekombinate mussten umstrukturiert werden, die osteuropäischen Märkte in den Schwerpunktbranchen Schwermaschinenbau und Schienenfahrzeugbau waren zusammengebrochen. Aus den Schwächen sind Stärken geworden. Die Chemieparks sind modern und ausgebaut, die Land- und Nahrungsgüterwirtschaft ist dank fruchtbarer Böden gut aufgestellt, Maschinenbauer und Autozulieferer liefern weltweit. Detlef Schubert hat die Hoffnung auf weitere Unternehmensansiedlungen nicht aufgegeben. "Da müssen wir kreativer werden", sagt er. Nur so beginnt die Geschichte der grünen Wiese vielleicht bald mit Sachsen-Anhalt.