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Diskussionsrunde in Möckern zur Rückkehr des Wolfes in die Region verläuft sachlich, zeigt aber Befindlichkeiten auf Gemischte Gefühle und ungenaue Zahlen

Von Stephen Zechendorf 07.06.2014, 03:13

Zu einer Podiumsdiskussion haben sich am Mittwoch rund 60 Interessierte eingefunden. Thema des Abends war die Rückkehr des Wolfes in unsere Region.

Möckern l Eingeladen hatte die Fraktion der Bündnisgrünen im Landtag Sachsen-Anhalt, Sören Herbst moderierte den Abend. Auf dem Podium hatten vornehmlich Befürworter Platz genommen: Der Wolfsbeauftragte der Bundesforst im Nördlichen Sachsen-Anhalt, Klaus Puffer, die Leiterin des WWF-Projektes "Der Wolf in Sachsen-Anhalt", Yvette Krummheuer, Dietmar Spitzenberg als Artenschutzbeauftragter im Landesministerium für Landwirtschaft und Umweltschutz (LAU) sowie Andreas Berbig von der "Referenzstelle Wolfsschutz in Sachsen-Anhalt.

Als Vertreter der Bauernschaft im Jerichower Land sprach Edmund Herrmann, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes im Jerichower Land. Seine Erfahrung: Für die Landwirte scheint die Rückkehr des Wolfes kein Thema zu sein. "Wenn wir uns darüber einig sind, dass der Wolf nicht nur durch Fördergelder hier gehalten werden darf, sehe ich keine Probleme."

Gut 100 Jahre galt der Wolf als ausgerottet in Deutschland, seit etwa zehn Jahren ist er wieder da. Nicht jeder freut sich darüber. Ein Problem, welches die Rückkehr des Wolfes in Deutschland bereitet, ist der Schaden, den Isegrim bei Nutztierherden anrichtet. Dazu bietet das Land Ausgleichszahlungen an, wenn die Prüfungen ergeben, dass ein Wolf die Ursache gewesen sein könnte. "Eine echte Beweispflicht gibt es nicht", erklärte Dietmar Spitzenberg. Rund 7500 Euro Ausgleichszahlungen wurden seit 2008 an geschädigte Landwirte geleistet, auf ihr Geld müssen diese nach Spitzenbergs Worten "nicht all zu lange" warten.

Für Yvette Krummheuer ist es wichtig, dass die Menschen "vor Ort" beraten werden und ein Monitoring erfolgt. "Wir müssen den Wolf bei seiner Rückkehr erforschen und den Menschen erklären, wie er handelt." Bisherige Erfahrungen aus Brandenburg gäben dabei Anlass zu Optimismus.

Yvette Krummheuer räumte ein, dass der Wolf als "hochanpassungsfähig und hochmobil" auch mit den Kulturlandschaften des Menschen klarkomme: "Er streift auch Dörfer und bindet sie in sein Territorium ein. Es ist daher durchaus möglich, dass wir einen Wolf sehen."

"Mir kommen hier die Jäger zu kurz", befand Hans Dietrich Graf vom Hagen aus Möckern: "Wir zahlen Pacht für die Jagd und haben durch den Wolf doch auch Ausfälle." Das wollte Dietmar Spitzenberg so nicht gelten lassen: Es gebe keine Erfolgsgarantie in Pachtverträgen und das jagdbare Wild sei zudem "herrenlos". Der Wolfsbeauftragte am Truppenübungsplatz Altengrabow, Klaus Puffer, erklärte, dass in seinem Revier immer noch genug Wild da wäre. Ein Wolf benötigt täglich etwa drei Kilo Nahrung. Hochgrechnet entspräche dies etwa zwei Stück Wild auf 100 Hektar im Jahr. Die Auswertung von 500 Losungen auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow ergab, dass Wildschweine nicht zu Isegrims Leibspeise zählen.

"Es ist für uns alle eine neue Situation. Nach 100 Jahren ohne den Wolf müssen wir unser Verhalten ändern", sagte Spitzenberg, der betonte, dass der Wolf von alleine gekommen sei und nicht vom Mensch wieder angesiedelt wurde.

"Es ist für uns alle eine neue Situation. Nach 100 Jahren ohne Wolf müssen wir unser Verhalten ändern."

Dietmar Spitzenberg, LAU

Forderungen nach der Aufnahme des Wolfes in die Liste bejagbarer Tiere wurden auch am Mittwoch in Möckern laut. Sie wurden jedoch von der Mehrheit der Podiumssprecher abgelehnt. Die Argumente: Man müsse die Natur in ihrer Gesamtheit für die kommenden Generationen erhalten, der Wolf zähle dabei zum Ökosystem und sein Bestand sei derzeit noch nicht so hoch, dass eine Aufnahme in die Liste der zu bejagenden Tiere gerechtfertigt sei.

Dazu müsste der Wolf in den so genannten "Anhang 5" der FFH-Richtlinie eingetragen sein. "Das geht nicht ohne einen einstimmigen EU-Beschluss", erklärte Spitzenberg. Diese Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft definiert unter anderem, welche Tier- und Pflanzenarten streng geschützt sind (Anhang 4) und welche Tiere in gewissem Umfang bejagt werden können (Anhang 5). Warum der Wolf in Polen im Anhang 4 und in Deutschland im Anhang 5 zu finden ist, erschloss sich dem Möckeraner Publikum nicht.

"Derzeit haben wir noch keinen ausreichend großen Bestand an Wölfen, um von einer Regulation durch den Menschen zu reden", sagte Spitzenberg. Zu einer klaren Aussage, wie viele Tiere denn tatsächlich in Deutschland oder Sachsen-Anhalt leben, wollte sich keiner hinreißen lassen. Aussagen wie "zwischen 40 und 60 in Deutschland" sorgten im Publikum für verhaltenes Gelächter. Eine Angabe für ganz Deutschland gab Spitzenberg lediglich so an: "Sicherlich einige hundert Tiere."

Im Raum stand die Frage: "Wieviel Wolf verträgt der Mensch, verträgt die Region".

Zu den "natürlichen Feinden" des Wolfes gehören etwa die Krankheiten wie Staupe oder Räude, von denen auch die Wölfe des Altengrabower Rudels befallen waren und zum Teil noch sind. Andere Krankheiten wie die Tollwut kommen dagegen inzwischen nicht mehr als natürlicher Regulator in Frage. Zu Totfunden kommt es aber auch an den Straßen. In Sachsen-Anhalt sind sechs Wildunfälle mit einem Wolf bekannt, ein Unfall ereignete sich bei Körbelitz. Die Nachsuche nach dem Tier blieb erfolglos.

Ein diskutiertes Thema des Abends war der nicht geltende Versicherungsschutz für Autofahrer in einem solchen Fall: Weil die Wölfe - ungeachtet, dass sie zum Haarwild gehören - nicht zu den bejagbaren Tieren zählen, weigern sich die Versicherungen, zu zahlen. "Das muss sich ändern", forderte am Mittwoch auch Möckerns Stadtchef Frank von Holly. Bei immer mehr Unfällen mit exotischen Tieren, wie ausgebüxten Emus, Nandus oder eben auch vermehrt Wölfen, dürften die Menschen nicht alleine gelassen werden. Sowohl Sören Herbst als auch die Landesvertreter versprachen, die Anregung mitzunehmen. Dazu gehört auch die Forderung nach einer bundesweiten Vereinheitlichung von Wolfsmonitoring sowie Ansprechpartnern bei Fragen der Öffentlichkeit.