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Linken-Politiker Harry Czeke spricht sich für Bestandsobergrenzen in der Tierhaltung aus Vision: Futter, Gülle und Tier an einem Ort

09.02.2015, 01:38

Mit der Schließung der Gladauer Schweinezuchtanlage, die mit mehr als 50 000 Tieren zur Straathof-Holding gehörte, hat der Landkreis eine einzigartige Entscheidung getroffen. Dem ehemaligen Geschäftsführer Adrianus Straathof, einer der größten Schweinezüchter Europas, werden schwere Verstöße in punkto Tierschutz vorgeworfen. Harry Czeke (Die Linke) ist als Genthiner Stadtrat und Landtagsmitglied seit Jahren dabei, wenn zum Thema Tierhaltung diskutiert wird. Im Interview mit Volksstimme-Reporterin Franziska Ellrich spricht der Abgeordnete darüber, wie viel Tier die Region verträgt.

Volksstimme: Bevor wir über Tierhaltung sprechen. Wie sieht Ihr Fleischkonsum aus?

Harry Czeke: Ich denke, es muss nicht jeden Tag Fleisch sein, es darf auch gern mal Käse zum Abendbrot sein. Der Deutsche isst zu viel Fleisch. Wenn man bedenkt, dass für ein Kilogramm Fleisch zwischen acht und zehn Kilogramm Getreide als Futter für die Tiere eingesetzt werden, heißt weniger Fleisch auch Umweltschutz. Und gesünder wäre das auch noch.

Ein Kilogramm Gehacktes kann man dieser Tage für weniger als vier Euro kaufen. Wie viel Tierwohl ist bei solchen Preisen möglich?

Ein Problem ist, dass die Mentalität "Geiz ist Geil" auch bei der Ernährung nicht halt macht. Die Supermärkte drücken die Preise beim Erzeuger. Und dem Landwirt bleibt dabei kein Geld, um in mehr Tierwohl zu investieren.

Mehr Tierwohl ist das Stichwort. Wo sehen Sie die Lösung?

Meine Fraktion hat im Landtag den Antrag gestellt, Bestands-obergrenzen für Tierhaltungen einzuführen. Im Fall Gladau stehen mehr als 50 000 Tiere in den Ställen. Das ist zu viel. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Sachsen-Anhalt Nachholbedarf, und kann noch mehr Tiere vertragen. Aber eben nicht Zehntausende an einem Ort, sondern verteilt auf kleinere Einheiten.

Warum soll das besser sein?

Ich gehe davon aus, dass eine überschaubare Tierzahl in Sachen Hygiene, gesundheitliche Versorgung und Kontrolle die Sache erleichtert. Außerdem bedeutet das auch eine bessere Verteilung der Arbeitsplätze im ländlichen Raum und weniger Transporte. Unser Stichwort ist: An den Boden gebundene Tierhaltung.

Was bedeutet bodengebunden?

Der Idealfall wäre, wenn der Landwirt gleich auf dem Acker neben dem Tierstall das Futter anbaut und dort die anfallende Gülle ausfahren kann. Dabei geht es uns auch um geringere Nitratbelastungen der Böden. Besitzt ein Tierhalter keinen eigenen Acker, sind auch Verträge mit Nachbarbetrieben eine Lösung. Was wir nicht mehr wollen: Dass sowohl die lebenden Tiere als auch das Futter oder die Gülle über unnötig weite Entfernungen durch das Land transportiert werden müssen.

Wie sollen diese Bestands-obergrenzen aussehen? Wer entscheidet wie viele Tiere die Region verträgt?

Wichtig: Es geht ganz und gar nicht um absolute Zahlen. Wenn ich mir eine Kuh anschaffen will, darf das nicht heißen, dass mein Nachbar zwei seiner Schweine abschaffen muss. Sondern es geht um Gesetze, die es möglich machen Tierbestandsgrößen für eine Region zu definieren. Dabei muss unter anderem die ökologische Belastbarkeit der Umgebung, das betrifft Anbau von Futter und Ausbringung von Gülle, berücksichtigt werden. Dazu müssen natürlich die Schutzvorgaben für Gewässer, Boden und Luft eingehalten werden. Und ganz entscheidend: Das Mitspracherecht der Bevölkerung - die kommunalen Vertreter vor Ort müssen mitentscheiden dürfen. Anders als in Gladau.

Was bedeutet anders als im Fall Gladau?

Als der Gemeinderat sich gegen die Erhöhung der Tierzahlen auf 50 000 ausgesprochen hat, wurde der Beschluss durch das Landesverwaltungsamt nicht ernst genommen. Auch die Entscheidung des Genthiner Stadtrates, sich gegen diese massive Erweiterung der Tierplätze auszusprechen, spielte keine Rolle. Das Baurecht war hier das höher gestellte Recht, und Straathof konnte erweitern.

Dass die Anlage auf Anordnung nun geschlossen werden muss - ein Erfolg in Sachen Tierschutz?

Ich finde es schade, dass die Anlage nun ganz zumachen muss und 40 Arbeitsplätze damit verloren gehen. Es wären Zwischenschritte möglich gewesen. Doch die Bereitschaft Auflagen zu erfüllen, hat wohl gefehlt.

Wie geht es mit dem Antrag der Linken jetzt weiter?

Die Vorschläge werden in den kommenden Monaten im Agrar- ausschuss diskutiert. Kommt es letztlich zu einer Beschlussempfehlung, stände im Parlament eine neue Debatte an. Das steht aber in den Sternen. Es kann auch gut sein, dass das Agrarministerium das Thema bis zur Wahl aussitzen und deshalb der Ausschuss an den Landtag keine Empfehlung abgeben kann.