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FC Ostelbien Dornburg Wenn die Angst beim Fußball mitspielt

Erneut kam es zur Auseinandersetzung in einem Fußballspiel mit dem FC Ostelbien Dornburg. Die Mehrheit der Spieler ist polizeibekannt und wird der rechten Szene zugeordnet. Harten Worten folgten am Sonntag harte Taten. Vier Spieler des SC Paplitz haben Strafanzeige erstattet. Doch öffentlich äußern wollen sie sich nicht.

Von Franziska Ellrich 23.06.2015, 09:50

Paplitz/Stresow l Um den Aufstieg in die nächste Liga geht es am Sonntag für den FC Ostelbien Dornburg. Doch mit Drei zu Fünf verlieren die Dornburger gegen den SC Paplitz. Ihre Wut darüber bekommen Paplitzer Spieler im Anschluss zu spüren. Polizeioberkommissar Thomas Kriebitzsch spricht von mehreren körperlichen Auseinandersetzungen beider Mannschaften nach Spielende. Vier Strafanzeigen gibt es jetzt von Seiten des SC Paplitz gegen Dornburg-Spieler.

Doch beim Paplitzer Sportclub möchte man sich zu dem Vorfall nicht äußern. "Wir haben uns entschieden, keine Stellungnahme abzugeben", erklärt Vereinsvorsitzender Stefan Ohle. Die Sache müsse aufgeklärt, "aber nicht aufgebauscht werden".

Doch die Vorkommnisse bei Spielen mit dem FC Ostelbien Dornburg häufen sich. Über die Fußballspieler, die in der Mehrzahl polizeibekannt und laut Verfassungsschutz der rechten Szene zuzuordnen sind, wird bundesweit berichtet. "Rechtsextreme unterwandern Kreisligisten" und "Narrenfreiheit für Schläger" heißt es da.

Hintergrund: Die Gründgungsmitglieder des FC Ostelbien Dornburg gehören zur Blue White Street Elite (BWSE). Eine Hooligan-Gruppe, die der damalige Innenminister Holger Hövelmann im Jahr 2008 verbietet, nachdem sie im Verfassungsschutzbericht erwähnt - und der rechten Szene zugeordnet - wird. Doch im Oktober 2010 wird das Verbot im zweiten Rechtsgang vom Oberverwaltungsgericht wieder aufgehoben.

"Eine Angstkulissse wurde aufgebaut." - Martin Burgdorf, Verein Miteinander

Auch seine Spielberechtigung hat sich der Dornburger Fußballclub 2011 vor Gericht erstritten. Der Landessportbund hat versucht, den Verein zu verbieten. Ein Verein, der im Januar für den Abbruch eines Fußballturniers in Gommern sorgt. Gründungsmitglied Dennis Wesemann hat einen Schiedsrichter mit der Faust bedroht. Nach seinem Platzverweis soll er einen gegnerischen Fan ins Gesicht geschlagen haben. Doch kein einziger Zeuge will das später gegenüber der Polizei bestätigen. "Es traut sich leider niemand, da wurde eine Angstkulisse aufgebaut", sagt Martin Burgdorf vom Verein Miteinander, einem Beratungsteam gegen Rechtsextremismus.

Ein Sportgerichtsverfahren wird eingeleitet - und bis zum Abschluss soll Wesemann für den Spielbetrieb gesperrt sein. Doch Anfang April steht er wieder auf dem Platz. Diesmal gibt es in Niegripp Probleme. Niegripp-Spieler Fitim Cimili fühlt sich von Dennis Wesemann belästigt. "Er hat mir ins Gesicht gespuckt und ist mir die ganze Zeit nicht von der Seite gewichen", erklärt Cimili nach dem Spiel. Der 23-jährige Burger verlässt das Spielfeld in der 75. Minute. "Ich hatte Respekt vor dem Zusammentreffen in der Duschkabine, die Stimmung war aggressiv." Fitim Cimili kommt aus dem Kosovo. "Dass Dennis Wesemann mich ausgewählt hat, lag sicher nicht nur daran, dass ich das entscheidene Tor geschossen habe, sondern auch weil ich der einzige Ausländer auf dem Platz war", sagt Cimili gegenüber der Volksstimme.

Nach dem Spiel nimmt der gesamte Niegripper Verein Stellung - anders als in Paplitz. "Aus aktuellem Anlass und aus Überzeugung wollen wir als Verein ein Zeichen setzen und uns klar gegen Rechtsextremismus positionieren", heißt es in einer Pressemitteilung. Und weiter: "Wir haben einfach nur satt, dass man sich während der Freizeit Sorgen um die eigene Gesundheit machen muss und letztlich zur eigenen Sicherheit klein beigibt."

Der SPD-Kreisverband unterstützt die Erklärung des SG Blau-Weiß Niegripp und ruft andere Sportvereine auf, sich der Stellungnahme anzuschließen. SPD-Kreisvorsitzender ist Matthias Graner, gemeinsam mit dem Vorstand bittet er die Vereine im Kreis "zu prüfen, inwieweit das Nichtantreten gegen offen extremistisch auftretende Vereine in Pflichtspielen eine geeignete Form des Protestes sein kann". Nach Volksstimme-Informationen wären nur zwei der dutzend Vereine im Jerichower Land dazu bereit.

"Die Jungs wollen doch nur Fußball spielen." - Fritz Franke, Kreisfachverband Fußball

Auch die aktuelle Stellungnahme vom Präsidenten des Kreisfachverbands Fußball Horst Wichmann fällt gegenüber der Volksstimme nüchtern aus: "Wir werden den Vorfall an das Sportgericht weiterleiten, dann müssen beide Vereine Stellung nehmen und die Situation bewertet werden." Spielobmann und Vizepräsident Fritz Franke macht im April nach der Pressemitteilung der Niegripper seine Position deutlich: Die Männer vom FC Ostelbien Dornburg solle man jetzt endlich in Ruhe lassen. "Die wollen doch einfach nur Fußball spielen." Auffallend: Bei fast jedem Spiel mit dem FC Ostelbien Dornburg ist auch die Polizei präsent.

Am Montag räumte Franke ein: "Es sind immer dieselben." Dass sein Verband auch kurz nach Spielende für die Übergriffe am Feldrand noch Verantwortung trägt, sei ihm bewusst. Entscheiden müsse jetzt das Kreissportgericht. Und dessen Vorsitzender ist Wilmut Pflaumbaum. Dass solche Vorfälle sich in der Vergangheit häufen, scheint er nicht so gelassen zu sehen wie andere. "Ohne zu bewerten: Diese Vorkommnisse polarisieren", sagt Pflaumbaum. Es müsse dringend eine Lösung her. "Strafen in Höhe von 150 oder 200 Euro helfen da nicht mehr." Der Landesverband sei jetzt gefragt, macht Pflaumbaum deutlich.

"Wir nehmen die Dinge sehr ernst", sagt Volkmar Laube, Pressesprecher des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt. "Das Sportgericht des Landes wird sich der Sache annehmen und ist um schnelle Aufklärung bemüht." Nach Volksstimme-Informationen sollen die Paplitzer ihren Sieg mit einer sprudelnden Sektflasche gefeiert - und dabei auch Spieler des FC Ostelbien Dornburg bespritzt - haben. Der Auslöser für die Übergriffe.

"Derartiges Handeln hat Konsequenzen." - Volkmar Laube, Landesfußballverband

"Wenn verbale Auseinandersetzungen in Gewalt münden, ist das nicht zu entschuldigen", sagt Laube. Und stellt klar: "Der FC Ostelbien Dornburg soll sich sicher sein, dass derartiges Handeln Konsequenzen hat."

Ein Großteil der Dornburg-Spieler, die am Sonntag auf dem Spielfeld handgreiflich werden, feiern am Sonnabend noch in familiärer Atmosphäre die Einweihung des neuen Spielplatzes in Stresow. Für rund 5000 Euro sind dort neue Spielgeräte und ein neuer Sandkasten aufgebaut wurden, erklärt Stresows Bürgermeister Norbert Müller.
Einer der wesentlichen Sponsoren: Dennis Wesemann mit seinem Onlineunternehmen. Der Stresower verkauft bedruckte T-Shirts im Netz. Die Motive sind gewaltverherrlichend und entsprechen Symbolen aus der rechten Szene.

Frank von Holly ist Bürgermeister der Stadt Möckern, zu der Stresow gehört. Er bestätigt, dass die Stadt Materialien im Wert von 1000 Euro für den Spielplatz zur Verfügung gestellt hat. "Wir haben keine Spenden angenommen, dafür bräuchten wir eine Beschlussvorlage", erklärt von Holly. Doch das Sponsoring lief anders. Der Heimatverein Stresow hat den Aufbau des neuen Spielplatzes in die Hand genommen, bestätigt Bürgermeister Müller. Und dafür gab es 700 Euro von der Volksbank, 300 Sack Beton von einer Baufirma aus Möckern und den Rest im vierstelligen Euro-Bereich von Dennis Wesemann.

Dass die Einweihung genau am 20. Juni zur Sonnenwende - ein offizieller Feiertag zur Zeit des Nationalsozialismus - gefeiert wurde, habe Müller zufolge keinen politischen Hintergrund. "Das gesamte Fest ist friedlich verlaufen", zieht der Bürgermeister ein Resümee. Auch die Polizei bestätigt, dass es keine Ausschreitungen gab. Außer den Verweis, den Norbert Müller einem Fernsehteam erteilt. "Es ging ihnen nicht um das Fest, sondern sofort um Dennis Wesemann, die sollen das alles in Ruhe lassen."

Ein Großteil der männlichen Gäste trägt am Sonnabend Shirts aus Wesemanns Kollektion. Fabian Borghardt vom Runden Tisch gegen Rechts und Martin Burgdorf sind in Stresow vor Ort. Sie sprechen von einer "Drohkulisse". "Nach dem ersten Bier wurde es auch aggressiver im Tonfall", sagt Borghardt. Aufgefallen seien die Männer in der Kluft mit der Aufschrift "Division 39" - ein Motorradclub der rechten Szene.