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Deutliche Stadtratsmehrheit für Erhalt der Estedter Grundschule / Kreis-Schulamtsleiter: Verordnung ist bindend "Man sollte auch mal emotional entscheiden"

Von Cornelia Ahlfeld 30.10.2013, 02:12

Der Stadtrat hat zwar den Erhalt der Estedter Grundschule beschlossen. Ob allerdings damit das Thema beendet ist, dürfte fraglich sein. Denn die Mindestschülerzahlen von 52 laut Verordnung sei bindend, erklärte gestern Kreisschulamtsleiter Ulrich Mußbach.

Gardelegen l Der Stadtrat ließ sich Zeit am Montagabend mit der Entscheidung über die Zukunft der Estedter Peter-Härtling-Grundschule. Ausführlich wurde noch einmal diskutiert. Zu Wort meldeten sich allerdings nur die Gegner der Schließungspläne. Zuvor jedoch ging Bürgermeister Konrad Fuchs ans Rednerpult, um auf gewisse Eckpunkte aufmerksam zu machen. Das Land gebe verbindlich vor, welche Schultypen welche Schülerzahlen vorweisen müssen, um Bestand zu haben. Die Schulträger hätten innerhalb dieser Vorgaben die Möglichkeit zu entscheiden, welche Schule geschlossen werden müsse und welche nicht.

"Entweder wir ändern die Einzugsbereiche, oder wir schließen die Schule"

Träger der Grundschulen sei in diesem Fall die Stadt Gardelegen. Die Landesverordnung zur Schulentwicklungsplanung schreibe für Grundschulen die Mindestzahl von 80 Schülern vor. Für flächenmäßig große und dünnbesiedelte Regionen wie Gardelegen gebe es die Ausnahmeregelung von 52 Schülern ab dem kommenden Schuljahr und 60 Schülern ab 2017/2018. Für Estedt gebe es drei Möglichkeiten. "Entweder ändern wir die Einzugsbereiche, damit Estedt für relativ kurze Zeit bestehen kann, oder wir sind konsequent und schließen die Schule. Wir können auch sagen, wir spielen da nicht mit und wollen, dass Estedt erhalten bleibt. Dann aber dürfen wir uns nicht beschweren, wenn andere für uns entscheiden", so Fuchs. Sicher, die letzte Variante würde das "Gewissen rein halten - ich habe ja nicht für die Schließung gestimmt", fügte er hinzu. Er sei aber Amtsperson, habe einen Amtseid geleistet und könne nur Dinge vorschlagen, die gesetzlich Bestand haben. "Und das heißt: Schließung oder Neuordnung der Einzugsbereiche, was nicht bedeutet, dass ich das in meinem Herzen gut finde", stellte er klar.

CDU-Stadtrat Horst Krüger, zugleich Ortsbürgermeister in Estedt, hielt erneut ein Plädoyer für den Erhalt der Estedter Schule. "Ich bitte um eure Stimme, ich bitte um den Erhalt der Schule", sagte Krüger. Bei einem Rundgang hätten sich Stadträte davon überzeugen können, dass die Schule nicht marode, sondern erhaltenswert sei. Wiederholt zweifelte Krüger zudem den von der Stadt errechneten Investitionsbedarf für die Schule von 219000 Euro an. Allein 70000 Euro für die Sanitäranlagen seien absurd. "Für vier Becken und 100 Quadratmeter Fliesen braucht man höchstens 20000 Euro. Die Toiletten sind ja fertig, die müssen nur noch gefliest werden", so Krüger.

Was Fuchs angesprochen habe, würde schon in etwa den Tatsachen entsprechen, meinte dann Regina Lessing, Vorsitzende der Gemischten Fraktion. Die Mehrheit der Bevölkerung aber würde dahin tendieren, den Standort Estedt erhalten zu wollen.

"Das Land kann sich nicht auf dem Rücken der Bevölkerung gesund sparen"

Überall im Lande würde sich Widerstand gegen die Mindestschülerzahlenvorgaben regen. Estedt solle wenigstens für die nächsten Jahre festgeschrieben werden. "Das Land kann sich nicht auf dem Rücken der Bevölkerung gesund sparen", so Lessing, "wir sollten heute den Rücken gerade machen."

"200000 Euro für unsere Kinder, das sollte uns nicht zu teuer sein", stellte Lessings Fraktionskollege Gustav Wienecke klar. Das Land habe ohnehin jede Bindung zum ländlichen Bereich verloren und entscheide nur noch vom grünen Tisch aus. "Wir sollten stark sein, an unsere Kinder denken und die Schließung ablehnen", so Wienecke.

Auch SPD-Stadtrat Walter Thürer sprach sich für den Erhalt der Estedter Grundschule aus, ebenso Andreas Finger von der CDU-Fraktion. "Es geht doch fast immer nur noch ums Geld, nicht mehr um unsere Kinder", meinte Finger, "wir sollten nicht nur mit dem Rechenschieber arbeiten, sondern eine Zukunft für unsere Kinder schaffen."

Auch CDU-Stadtrat Jens Bombach, sonst eher ein nüchterner Rechner, fühlte sich bewogen, die Thematik anders zu sehen. "Man sollte auch mal emotional entscheiden", meinte Bombach.

"Herr Finger, wir können für alles mögliche Geld ausgeben", reagierte Fuchs auf den Redebeitrag des CDU-Stadtrates aus Dannefeld. Fuchs erinnerte aber daran, dass es ab 2020 keine Solidarzahlungen mehr geben werde. "Wir müssen uns ab 2020 komplett selbst versorgen. Wo soll das Geld denn herkommen? Dann reden wir über steigende Abgaben wie Steuern, Eintrittspreise oder Kinderbetreuungsgebühren", machte Fuchs deutlich. Die Stadt habe bei Kindern außerdem noch nie gespart. "Deshalb sanieren wir ja auch die Miester Grundschule", so Fuchs.

Stadtratsvorsitzender Kai-Michael Neubüser rief dann zur Abstimmung auf. Zunächst über das Verfahren, denn die Beschlussvorlage zur Schulentwicklungsplanung bis 2019 hat insgesamt vier Punkte. Eins und zwei betreffen die Estedter Grundschule mit Schließung der Schule und Zuordnung der Schüler zur Gardeleger Reutter-Grundschule. Punkt drei und vier sehen die Sicherung der Schulstandortes Letzlingen durch Zuführung der Schüler aus Potzehne und Parleib ab 2017/2018. Und die wurden getrennt beschieden.

Punkt drei und vier sorgte dann allerdings noch einmal für Diskussion. Peter Kapahnke (Gemischte Fraktion) zeigte sich verärgert, dass die Empfehlung des Sozialausschusses, außer Potzehne und Parleib auch Jerchel und Jeseritz nach Letzlingen zu schicken - übrigens ein Vorschlag von Kapahnke selbst -, keine Berücksichtigung gefunden habe. "Wenn wir schon den Notnagel spielen, dann soll das auch Hand und Fuß haben", betonte Kapahnke. Dann sollte der gesamte südliche Bereich nach Letzlingen gehen.

Norbert Tendler (CDU-Fraktion) lehnte eine sofortige Entscheidung ab. "Das ist ja wie ein Überfall", meinte Tendler. Das habe nicht ausreichend diskutiert werden können. Die Eltern seien dazu auch nicht befragt worden.

"Wenn nur Potzehne und Parleib nach Letzlingen sollen, dann stimme ich nicht mehr zu"

Der Antrag Lessings, neben Potzehne und Parleib auch Jerchel und Jeseritz nach Letzlingen zu schicken, blieb letztlich unberücksichtigt, nachdem CDU-Fraktionschef Jörg Gebur bedeutet hatte, keine neuen Schlachtfelder aufzumachen. "Es liegt eine Beschlussvorlage vor, und darüber sollten wir abstimmen", so Gebur. Und dann wurde abgestimmt. Grundschule Estedt: Neun Stimmen für die Schließung, 25 dagegen. Sicherung Schulstandort Letzlingen mit Potzehne und Parleib: 29-Ja-Stimmen und 5 Nein-Stimmen. Darunter war auch Kapahnke: "Wenn nur Potzehne und Parleib nach Letzlingen sollen, dann stimme ich nicht mehr zu."

Ob damit allerdings in Sachen Estedt die viel gerühmte Kuh vom Eis ist, ist eher fraglich. "Wir schauen erst einmal, was der Bürgermeister mit dem Beschluss macht. Die Zahl 52 steht. Man kann keinen Schulstandort ohne ausreichend Schüler beschließen. So geht das nicht. Die Verordnung ist bindend. Wenn die Schülerzahlen nicht erfüllt werden, ist klar, was dann passiert", meinte Mußbach. Was, das ließ Mußbach zunächst offen mit dem Hinweis, dass am 12. November der Kreis-Bildungsausschuss dazu tagen und in Sachen Schulentwicklung die Zielplanung erarbeiten wird.

Die Stadt selbst werde erst einmal intern beraten, sagte Gardelegens stellvertretender Bürgermeister, Maik Machalz.