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  7. Besuch: Stahlknecht in Elbe-Parey und Jerichow

Bei Gesprächen in Gemeindeamt, Jugendclubs und Feuerwehr werden Erfolge, Wünsche und Probleme thematisiert. Von Sigrun Tausche Besuch: Stahlknecht in Elbe-Parey und Jerichow

20.01.2012, 04:25

Im zweiten Anlauf klappte es nun: Nachdem Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) im vorigen Jahr seinen Besuch kurzfristig absagen musste, nahm er sich nun viel Zeit für seine Gespräche in den Gemeinden Elbe-Parey und Stadt Jerichow. Zeit blieb auch für einige Begegnungen am Rande.

Elbe-Parey/Jerichow l Der Empfang in Elbe-Parey muss wie Urlaub für den Minister gewesen sein, nachdem er kurz vorher noch wegen des Brandanschlags auf die Polizeistation in Dessau war. Bei aller Feierlichkeit und Herzlichkeit und dem Stolz, dem Minister die Entwicklung der Gemeinde zu präsentieren, gab es hier in Parey wie auch später in Jerichow durchaus ernsthafte Gespräche, bei denen es um Finanzprobleme, um so genannte freiwillige Aufgaben der Gemeinden, um Jugend und Feuerwehren ging. Landtagsabgeordneter Detlef Radke (CDU) begleitete Stahlknecht auf seiner Besuchstour. In Jerichow kam noch der Bundestagsabgeordnete Manfred Behrens (CDU) dazu.

Thema Feuerwehren

In Elbe-Parey stellten Gemeindewehrleiter Dietmar Kohrt und sein Stellvertreter sowie Zerbener Ortswehrleiter Steve Flügge die Feuerwehr vor und sprachen Probleme an. In Jerichow tat das Gemeindewehrleiter Ralf Braunschweig. Ihm zur Seite saßen sein stellvertretender Ortswehrleiter Frank Unger sowie die stellvertretenden Gemeindewehrleiter Christian Hering (Kade) und Bernd Winning (Schlagenthin).

Elbe-Parey hat sieben Ortsfeuerwehren mit acht Fahrzeug-Standorten und 121 aktive Kameraden (Einwohner gesamt: 7 059, Fläche 10 865 Hektar), die Einheitsgemeinde Jerichow (Einwohner 7 461 am 31. Dezember 2010, Fläche 26 991 Hektar) hat 17 Ortsfeuerwehren mit 300 aktiven Kameraden.

Das Hauptproblem - Mitgliedergewinnung und Einsatzbereitschaft tagsüber - ist dem Minister durchaus bekannt. "Das Problem haben 60 bis 80 Prozent der Feuerwehren landesweit, und immer weniger Menschen sind bereit, ehrenamtlich mitzuarbeiten."

Um dieser Situation entgegenzuwirken, wäre es sinnvoll, in den Gemeinden ein bis zwei Stellen vorzusehen, wo Feuerwehrleute beschäftigt werden. Es werde vielerorts schon so gehandhabt, dass Gemeindearbeiter nach der Maßgabe eingestellt werden, dass sie in der Feuerwehr sind, weiß Stahlknecht. Bisher dürfe das in der Stellenausschreibung aber keine Rolle spielen, worüber sich viele Gemeinden aus der Not heraus längst hinwegsetzen. Stahlknecht will erreichen, dies offiziell zu ermöglichen.

In Elbe-Parey gingen Kohrt und Flügge weiterhin auf die neuen Anforderungen an die Feuerwehr im Zusammenhang mit Biogasanlagen und Photovoltaikanlagen ein. Nicht nur neue Technik werde dafür gebraucht, sondern auch die erforderliche Ausbildung der Kameraden.

Neu ist jetzt, dass nicht das Land, sondern die Gemeinden die Kosten, auch für den Lohnausfall der Kameraden, zu tragen haben. Stahlknecht verteidigt diese Änderung: "Es war so, dass sehr viele zu Lehrgängen angemeldet waren, aber gar nicht erschienen sind - weil es ja nichts gekostet hat. Denn das Land hat bezahlt." Das werde mit Sicherheit anders sein, wenn nun die Gemeinden zahlen müssen, ist er überzeugt.

Ein weiteres Thema war die Fahrzeugbeschaffung. Stahlknecht will eine zentrale Fahrzeugbeschaffung durchsetzen, weil bei Ausschreibungen für zehn Fahrzeuge das einzelne ganz klar günstiger zu bekommen sei, als wenn jede Wehr beziehungsweise Gemeinde sich selbst um ein Fahrzeug kümmert. "Das Land Brandenburg macht das so, und auch bei der Polizei wird es gemacht." Braunschweig wandte ein, dass für die Kameraden, die ja ehrenamtlich tätig sind, die Beschaffung eines neuen Fahrzeugs auch Motivation sei, und dass sie sich damit sehr identifizieren. Dieses Argument verstand Stahlknecht sehr wohl, machte jedoch deutlich, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt. "Ich muss 20 Millionen Euro einsparen!" Und er fügte an: "Sie können alles so weiter machen, wie Sie wollen, wenn Sie das Geld dazu haben!" Will heißen: Mit Fördermitteln des Landes müsse man sich auch nach dessen Bedingungen richten.

Dringend Ersatz brauche die Jerichower Feuerwehr für ihr über 40 Jahre altes Drehleiterfahrzeug. Dafür, so Stahlknecht, gebe es ein Sonderprogramm mit wesentlich höherer Förderung (bis 250 000 Euro). Fehlen aber immer noch 200 000 oder mehr Eigenmittel. "Die haben wir nicht", nannte Jerichows Bürgermeister Harald Bothe das Problem. Hierbei wie auch bei Fahrzeugen für die Ortswehren wäre es wünschenswert, wenn auch gute gebrauchte Fahrzeuge durch das Land gefördert würden. Doch das sei im Moment nicht möglich, so Stahlknecht. Grund sei, dass es für ein und dasselbe Fahrzeug nicht zweimal eine Förderung geben dürfe. "Ich sehe aber nicht ein, warum ein Fahrzeug, das ursprünglich nicht mit Fördermitteln gekauft wurde, nicht als Gebrauchtfahrzeug gefördert werden kann. Das prüfen wir jetzt."

Thema Finanzen

"Wir haben 2011 unseren Haushalt nicht mehr ausgleichen können", nannte Elbe-Pareys Kämmerin Ingrid Dernedde das derzeit allgegenwärtige Problem der Gemeinden beim Namen. "Uns stehen wegen der Änderung des Finanzausgleichsgesetzes 600 000 Euro weniger zur Verfügung! Das kann man nicht mehr ausgleichen!" Elbe-Parey habe in zehn Jahren Einheitsgemeinde und schon vorher als Verwaltungsgemeinschaft alle Möglichkeiten günstigen Wirtschaftens ausgeschöpft und getan, womit andere Gemeinden jetzt erst anfangen - und sei nun trotzdem in dieser Lage. Die Steuerhebesätze seien nun schon um 50 Prozent erhöht worden. "Der Gemeinderat ist sich einig: Eine weitere Erhöhung wird es nicht geben!"

Jutta Mannewitz fügte an: "Der Landkreis hatte uns empfohlen, Kitas zu schließen, um zu sparen. Das tun wir nicht mehr. Wir hatten schon zwei geschlossen, und durch einen anderen Träger wurde eine neue Kita eröffnet und wir müssen sie bezuschussen." Sparforderungen auf der einen Seite und ein Gesetz, das dies zulasse, auf der anderen - das könne nicht sein, kritisiert sie.

Damit wurde auch das Thema "freiwillige Aufgaben" angesprochen - jene, die eine Gemeinde mit unausgeglichenem Haushalt laut Gesetz streichen muss. "Aber es ist das Leben der Gemeinde, das dann auf der Strecke bleibt", sagte Ingrid Dernedde. Jutta Mannewitz sprach die Frage der Sportstättennutzung an, für die nun ein aktuelles Gesetz in Arbeit ist. Stahlknecht unterstrich noch einmal, dass geplant sei, Vereinen weiterhin eine kostenfreie Nutzung zu ermöglichen - aber eine Beteiligung an den Betriebskosten könne es geben. Nur eben keine Miete. "Sport ist auch Sozialpolitik. Sie machen sonst die Vereine kaputt."

Ein ganz großes Problem bei der Förderpolitik, das den Haushalt der Gemeinde auch stark belastet, zeigte Ingrid Dernedde an einem aktuellen Beispiel auf: "Wir haben unser Grundschulzentrum in Güsen für 1,6 Millionen Euro saniert und mussten mit 1,3 Millionen in die Vorfinanzierung gehen - über einen Kassenkredit. Das tut nur noch weh!" Die Gemeinde hatte nämlich zunächst nur die Bewilligung des "vorzeitigen Maßnahmebeginns" erhalten und zügig begonnen. Nun ist die Sanierung fast beendet und der Förderbescheid noch immer nicht da.

Thema Polizei

Während eines Rundgangs durch Parey stattete Stahlknecht auch der Revierstation Parey einen kurzen Besuch ab. Im Bereich der Revierstation sind jetzt vier Polizeibeamte tätig, wobei eine junge Kollegin seit 1. Januar neu dazu gekommen ist: Polizeimeisterin Anja Andres.

Im Gespräch betonte Stahlknecht: "Ich will, dass wir die Fläche stärken und die kleinen Stationen erhalten. Wir brauchen die Präsenz in der Fläche." Auch im Zusammenhang mit jüngsten Vorfällen unterstrich er: "Wir müssen uns als Land vor unsere Polizei stellen und Flagge zeigen. Das haben Sie sich verdient! Sie dienen diesem Land!"

Die Gemeinde habe hier in die Station auch viel investiert, würdigte deren Leiter, Polizeioberkommissar Frank Lorenz, die Unterstützung von dieser Seite.

In Jerichow gibt es seit etlichen Jahren keine Station mehr. "Es wäre wichtig, dass wir von der Polizei Genthin mehr betreut würden", mahnte angesichts diverser Vorkommnisse auch Bürgermeister Harald Bothe mehr Polizeipräsenz an.

Thema Jugend

Im Pareyer Jugendhaus traf Stahlknecht nicht nur zahlreiche Jugendliche, die hier zu den Besuchern zählen, sondern auch eine Gruppe junger Angler und einige der jüngsten Fußballer von Germania Güsen, die mit Ralf und Heike Bonitz herübergekommen waren. Über die Jugendarbeit erstattete Jugendpfleger Manfred Göbel Bericht. Im Jugendklub Jerichow stellten der dortige Verantwortliche Steve Kliemann und Gabriele Herrmann aus Genthin Schwerpunkte des Lokalen Aktionsplans Genthin und Jerichow im Bundesprogramm "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" vor. Jerichows Ortsbürgermeister Andreas Dertz unterstrich, wie wichtig diese Arbeit für und mit Jugendlichen ist, gerade im ländlichen Raum, "wo Jugendliche aus vielen Orten an eine Schule gekarrt werden. Wenn sie da nicht bereit sind, sich zu tolerieren, wird es ganz schwer."