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3000 Jahre alter Schmuck Spektakulärer Fund wird geborgen

Archäologen um Grabungsleiterin Kerstin Kühne haben in Mammendorf in der
Gemeinde Hohe Börde erneut eine aufsehenerregende Entdeckung gemacht.
Bei aktuellen Ausgrabungen wurde nach dem ersten Fund einer erwachsenen
Frau im Jahr 2012 nun ein Grab eines neun- bis zehnjährigen Mädchens
freigelegt.

Von Detlef Eicke 11.10.2014, 03:08

Mammendorf/HoheBörde l Seine Schmuckausstattung war mit einer Brillennadel, Spiralröllchen, einer Perlenkette sowie Arm- und Beinringen sogar noch umfangreicher als beim ersten Fund und verweist auf den gleichen Herkunftsraum.

"Wir haben den gut erhaltenen Fund im Block geborgen und erhoffen uns tiefgreifende Erkenntnisse auch hinsichtlich seiner kulturellen Bedeutung. Möglicherweise war das Mädchen ebenfalls in einem weithin sichtbaren Hügel beigesetzt worden - darauf könnte der größere Abstand zu den Siedlungsfunden der Umgebung hindeuten", sagt Kerstin Kühne.

Die wertvollen Funde zweier Bestattungen zeichnen sich durch die Beigabe von reichem Gewand- und Körperschmuck aus Bronze aus und können in die Mittelbronzezeit datiert werden. Das erste Grab, das die sterblichen Überreste einer erwachsenen Frau enthielt, kam vor zwei Jahren bei Grabungen zutage. Die Tote war in gestreckter Rückenlage beigesetzt worden, vermutlich unter einem aufgeschütteten Hügel. Sichtbare Reste vom Hügel sind nicht erhalten. Ihr bronzener Schmuck, der im Kopfbereich gefunden wurde, setzte sich aus Spiralröllchen und einer 20Zentimeter großen sogenannten Brillennadel mit doppeltem Spiralkopf zusammen.

"Die bronzenen Trachtbestandteile könnten eine Haube, ein Tuch oder einen Schleier am Kopf fixiert haben", vermutet Dr. Susanne Friederich, Leiterin des Zentralreferates Bodendenkmalpflege im Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.

"Wir werden die Funde wissenschaftlich auswerten, um ihre Herkunft festzustellen." Dr. Susanne Friederich, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

Die entdeckten Schmuckstücke erlauben eine zeitliche Eingrenzung auf 1350 bis 1250 v. Chr. "Die Bestattungen von zwei weiblichen Individuen mit fremden Accessoires werfen bei uns Archäologen viele Fragen auf", sagt Dr. Friederich, und benennt: "Wie kamen die in der Hohen Börde Bestatteten in die Region? Spielten Heirats- oder Handelsverbindungen eine Rolle? Ist das Kind in dem Gebiet, wo es bestattet wurde, aufgewachsen oder erst kurz vor seinem Tod zugezogen? Bestanden verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Individuen?". Sie beschreibt das weitere Vorgehen: "Diese Aspekte werden nun Forschungen, die unter anderem DNA-Untersuchungen und Strontiumisotopenanalysen umfassen müssten, abschließend geklärt."

Seit 2010 finden im Vorfeld der Erweiterung des Mammendorfer Hartsteinwerkes archäologische Ausgrabungen statt. Auf der bisher untersuchten, insgesamt rund zehn Hektar umfassenden Fläche sind über 1000 Befunde der späten Bronze- und Eisenzeit (ab etwa 1300 v. Chr.) dokumentiert worden. Der größte Teil dieser Siedlungsreste ist dabei einer eisenzeitlichen (etwa 800 bis 50 v. Chr.) Besiedlung zuzuordnen.

"Anhand zahlreicher Siedlungsgruben, etwa 40 Grubenhäusern und eines drei Meter breiten Grabens, der die Siedlung nach Süden hin vom Umland abgrenzte, lässt sich das einstige Erscheinungsbild des Dorfes anschaulich nachvollziehen. Keramik- und Tierknochenfunde sowie Hinweise auf einen Metallverarbeitungsplatz geben detaillierte Einblicke in den Alltag und die Wirtschaftsweise der Bewohner. Einige der Siedlungsgruben enthielten menschliche Skelettreste, die im Gegensatz zum damals üblichen Bestattungsbrauchtum nicht verbrannt wurden", so Grabungsleiterin Kerstin Kühne.

Auf der Ausgrabungsfläche wurden zusätzlich zu den Siedlungsbefunden aus der jüngeren Bronze- und Eisenzeit mehr als zwei Dutzend reguläre Bestattungen aus vorangegangenen Perioden erfasst. Die ältesten Grabfunde wurden von den Trägern der mittelneolithischen Baalberger Kultur (etwa 4100 bis 3600 v. Chr.) angelegt. Auch Gräber aus der endneolithischen Schönfelder (etwa 2700 bis 2400 v. Chr.) und der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur (etwa 2200 bis 1600 v. Chr.) belegen die frühe Besiedlung des Gebietes.