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Interview mit Dr. Volker Nakel, Wolfsbeauftragter der Jägerschaft Wolmirstedt, zur Situation in der Börde "Wir müssen uns auf den Wolf einstellen"

25.04.2015, 01:29

Die Zahl der Wölfe in Sachsen-Anhalt steigt. Das zeigte der jüngst veröffentlichte Monitoringbericht. Auch im Landkreis Börde gab es bereits Wolfssichtungen. Zur aktuellen Situation im Landkreis sprach Redakteur Ivar Lüthe mit Dr. Wolfgang Nakel, Wolfsbeauftragter der Jägerschaft Wolmirstedt.

Volksstimme: Herr Dr. Nakel, es gab in der Börde bereits mehrfach Wolfssichtungen. Allerdings zunächst von Einzeltieren. Ist es möglich, dass wir in der Börde auch bald siedelnde Wölfe haben könnten?

Dr. Wolfgang Nakel: Das ist gut möglich. Der Wolf ist ein anpassungsfähiges Tier. Die bisherigen Sichtungen sind eher Jungwölfe, die nach zwei Jahren das Rudel verlassen haben und sich neue Gebiete suchen. Wenn es zwei sind, dann kann es durchaus sein, dass sie sich auch hier ansiedeln.

Wieviele Sichtungen in der Börde hat es denn bisher gegeben. Gibt es das Zahlen?

Zu wenige. Viele Jäger mauern, haben Angst, dass es zu einem ,Wolfstourismus` durch Neugierige kommt. Das bringt große Unruhe ins Revier. Darum halten sich viele Jäger mit Wolfssichtungen zurück. Wir haben jetzt vom Landesjagdverband eine Kamera bekommen, um für das Wolfsmonitoring Fotos und weitere Zahlen zu bekommen. Es gibt im Moment noch eine ziemliche Dunkelziffer. Aber das Verschweigen von Wolfsmeldungen bringt nichts. Dadurch können wir die tatsächliche Entwicklung nicht einschätzen.

Wie ist die aktuelle Situation Ihrer Meinung nach?

Im Moment ist es so, dass die Wölfe von ihrem Einstandsgebiet im Truppenübungsplatz Colbitz-Letzlinger Heide ausströmen. Das ist ganz eindeutig. Am Rande des Stadtwaldes von Haldensleben hat es beispielsweise am hellichten Tag einen Schafsriss durch zwei Wölfe gegeben. Es hat auch schon Risse rund um Wolmirstedt gegeben.

"Das Wild zeigt ein verändertes Verhalten, ist wesentlich mehr verunsichert als vorher."

Wie sollen oder können die Jäger denn mit dem Wolf umgehen?

Fakt ist: Die Jagd in Wolfsgebieten ist für die Jäger erschwert. Das Wild zeigt ein verändertes Verhalten, ist wesentlich mehr verunsichert als vorher. Jäger merken es daher, dass ein Wolf durch ihr Revier gezogen ist. Im Gebiet gibt es weniger Wild, es konzentriert sich in anderen Gebieten und verursacht dadurch erhöhte Schäden. Das sind Dinge, die den Jägern große Probleme bereiten, denn Jäger sind ja auch für Wildschäden verantwortlich.

Wie sehen ihre Jägerkollegen den Wolf?

Kritisch, das ist ganz klar. Er ist eine Konkurrenz. Es wird schwieriger das Wild zu jagen durch das veränderte Verhalten. Es wird aber durch den Wolf keine gänzlich wildleeren Gebiete geben. Der Wolf wird eher sein Gebiet vergrößern.

Birgt der Wolf eine Gefahr?

Im Prinzip nicht. Unter ungünstigen Umständen kann es mal sein, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen Wolf und Mensch kommt, wenn sich der Mensch falsch verhält, füttern will oder der Wolf sich bedrängt fühlt. In diesem Zusammenhang bereitet es uns Sorge, dass einige Wölfe schon keine Scheu mehr vor Menschen haben, was durch zahlreiche Videos und Berichte von Jägern belegt ist."

Aktuell hat es wieder Berichte über Schafsrisse gegeben. Ist der Wolf für Schäfer ein Problem?

Absolut! Schäfer müssen ihre Herden mehr sichern. Mit Elektrozäunen bespielsweise. Das bedeutet auch einen finanziell höheren Aufwand. Es gibt von den Schäfern auch schon den Ruf, dass der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird, also auch geschossen werden darf.

Wie sollte denn der Gesetzgeber künftig mit dem Wolf umgehen?

Wenn sich eine gewisse Bestandszahl entwickelt hat, dass es ökologisch und ökonomisch zum Problem wird, dann sollte auch eingegriffen werden.

Im Land gibt es laut Monitoring aktuell 49 Wölfe. Für welche Bestandszahl plädieren sie?

Für ganz Sachsen-Anhalt 90 Tiere.