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Klietzer Bundesforstbetrieb "Inventur" des Waldes ist abgeschlossen

Alle zehn Jahre findet in den Wäldern des Klietzer Übungsplatzes eine
"Inventur" statt. Das daraus erstellte Kartenwerk bildet die Grundlage
für die Arbeit der Bundesforst in den kommenden Jahren.

Von Ingo Freihorst 18.06.2014, 03:24

Klietz l "Forsteinrichtung" heißt solche Inventur in der Fachsprache. Dabei werden alle Baumarten, deren Alter und möglicher Ertrag sowie der Holzzuwachs erfasst. Mit den gesammelten Erkenntnissen entstehen diverse Karten und Tabellen - diese wurden jetzt der Kommandantur des Klietzer Übungsplatzes übergeben.

Mit den aufwendigen Arbeiten befasst hatte sich Forstoberrat Ferry Behrens aus Klietz. Immerhin 9130 Hektar Wald musste er dazu in Augenschein nehmen, 6300 Hektar davon war er sogar abgelaufen. Das dauerte immerhin fünf Jahre - inbegriffen die wochenlange Verzögerung durch die Flut. Natürlich wird nicht jeder Baum erfasst, sondern es werden in einem gleichmäßigen Bestand acht Probepunkte ausgezählt und dann der Mittelwert gebildet - zum Beispiel für den Bestockungsgrad.

"Als Grundlagenergebnis wurde ermittelt, dass die Kiefer mit 89 Prozent Flächenanteil deutlich dominiert", informierte Forstdirektor Rainer Aumann, der Leiter des Bundesforstbetriebes. Die Birken wachsen auf sechs Prozent, Eichen auf zwei Prozent. Vertreten sind ferner Buche, Lärche oder Douglasie.

Vor 300 Jahren wurde die Nachhaltigkeit erfunden

Der gesamte Holzvorrat auf dem Übungsplatz beträgt 1,085 Millionen Kubikmeter. Insgesamt 36500 Kubikmeter wachsen pro Jahr nach, 25600 Kubikmeter werden geerntet. Der Rest dient der weiteren Anreicherung des Holzvorrates - es wird hier also nachhaltig gewirtschaftet. Die Nachhaltigkeit sei mit am wichtigsten, informierte der Forstdirektor - der Begriff ist schließlich auch vor fast genau 300 Jahren in der Waldbranche entstanden: Der kurfürstlich-sächsische Kammer- und Bergrat Hans Carl von Carlowitz hatte ihn 1713 in seinem Standardwerk "Silvicultura oeconomica" geprägt. - Ohne dessen fundamentale Erkenntnisse hätte es jetzt wohl in Deutschland keinen Wald mehr gegeben, ergänzte Rainer Aumann.

Der Wald auf dem Klietzer Platz dient in erster Linie nicht der Holzgewinnung, sondern vor allem der übenden Truppe sowie dem Schutz der Bevölkerung vor den Auswirkungen des Übungsbetriebes. Herumfliegende Geschosse werden von den dicht stehenden Pflanzen aufgefangen, auch der Schießlärm und aufgewirbelter Staub bleiben im Waldbestand "hängen".

Nicht zuletzt dienen die Bäume als Blend- und Sichtschutz, was gerade an der Landstraße von Klietz nach Mahlitz wichtig ist. An der Einfahrt zur Schießbahn 8/9 erklärte der Klietzer Betriebsleiter Kurt-Werner Balke, wie das in der Praxis funktioniert: In dem 90-jährigen Kiefernbestand hatte sich die wildwachsende Traubenkirsche breit gemacht. Sichtschutz bieten junge Bäume, die es neben der Kirsche aber schwer haben. Die erst geplante natürliche Verjüngung schlug fehl, die jungen Kiefern wurden vom Wild abgefressen.

Die Förster entschieden sich deshalb bei den Neuanpflanzungen für die Douglasie, welche auch im Schatten gut wächst. Der Jungbestand wurde mit einem Zaun vor Wildverbiss geschützt, zudem wurden im Vorjahr etliche der wildwachsenden Traubenkirschen entfernt. Die heranwachsende Douglasie verdrängt mit der Zeit die restlichen der ungeliebten Traubenkirschen und bietet zudem auch im Winter den erwünschten Sichtschutz.

Wegen der nahen Straße muss der Bundesforstbetrieb auch die Verkehrssicherungspflicht beachten: Deshalb wurden hier vermehrt alte Bäume gefällt und junge Kiefern angepflanzt. Für das an Straßen geforderte Lichtraumprofil ist ohnehin ein abgestufter Waldsaum nötig.

Mischbestände sind das Ziel

Die vom Klietzer Förster Ferry Behrens frisch erstellten Forstbetriebs- und Waldfunktionskarten dienen dem Bundesforstbetrieb in den kommenden Jahren als Arbeitsgrundlage. Aus dem Kartenwerk wird abgeleitet, wie viel Holz pro Jahr eingeschlagen werden kann oder welche Baumart wo angepflanzt werden muss.

Ziel des Bundesforstbetriebes auf dem Übungsplatz sind dichte und tiefbekronte Nadel-Laubholz-Mischbestände. Beachtet werden muss bei den Anpflanzungen auch der militärische Brandschutz an den Schießbahnen, die Flammen dürfen sich von hier nicht in den Wald ausbreiten.

Wichtig ist den Förstern aber auch der Naturschutz, weshalb Waldränder gezielt angelegt werden, ebenso - in Abstimmung mit der Bundeswehr - Totholzkomplexe. Natürlich werden auch Horst- oder Höhlenbäume erhalten.

Mit bei der Exkursion dabei war auch Oberstleutnant Michael Vormwald, der neue Kommandant des Klietzer Platzes. Die Übernahme des Kartenwerkes war eine seiner ersten Amtshandlungen. Jede Baumart hat hierauf ihre Farbe: Zu 89 Prozent war die Karte grau, diese Farbe ist der Kiefer vorbehalten. Zu sehen ist auf den Karten auch, wo der Wald seine vorgesehenen Funktionen erfüllt und wo noch nicht.

In der DDR hatten Naturschutz und Waldfunktionen auf dem damaligen NVA-Übungsplatz nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Der auf der Schießbahn 13 durch Panzer aufgewirbelte Sandstaub war in Rathenow gefürchtet, das Areal war als Sandwüste berühmt-berüchtigt. Jetzt ist es auf großen Teilen begrünt, auf dem vom Menschen wenig frequentierten Platz fühlen sich solche seltenen Vogelarten wie Wiedehopf, Raubwürger, Wendehals, Ortolan, Wespenbussard oder Fischadler heimisch.