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Daniela Jährig und ihr Mann Steffen Schöley geben in Nepal Hilfe zur Selbsthilfe/Eigenen Verein gegründet Klötzerin kümmert sich um die Vergessenen

Von Siegmar Riedel 21.05.2011, 06:28

Sie haben in Deutschland alles aufgegeben, Wohnung und Job gekündigt. Die Klötzerin Daniela Jährig und ihr Mann Steffen Schöley leben die meiste Zeit des Jahres in Nepal, um den Ärmsten der Armen das Überleben zu erleichtern. Dafür haben sie jetzt einen eigenen gemeinnützigen Verein gegründet.

Klötze/Kathmandu. Daniela Jährig sieht man die emotionale Nähe zu Nepal schon an: Ein bunter Seidenschal über einem orangenen Kleid lässt vor dem geistigen Auge Bilder von Mönchen in Nepal und bunten Tüchern entstehen. Doch dort, wo sich die Klötzerin engagiert, ist die Welt nicht so bunt. Südlich von Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal, kämpfen die Menschen gegen den Hunger, müssen täglich aufs Neue ihr Überleben sichern. Hier kümmern sich die 41-jährige Klötzerin und ihr 43-jähriger Mann Steffen Schöley um die Vergessenen, wie die Chepang, die unterste Kaste, und andere Bedürftige.

Angefangen hat alles mit einem Urlaub. "Wir sind Globetrotter vom Herzen her", begründet Daniela Jährig. "Der Himalaya hat uns schon lange interessiert." Sparen für die Reise war angesagt. Er kündigte seinen Job im Klinikum Braunschweig, sie ihre Stelle als Physiotherapeutin bei Peine. 2009 setzten sie sich ins Flugzeug Richtung Nordindien und Nepal.

Anfangs schnupperten sie in die Arbeit einer Hilfsorganisation hinein, engagierten sich ehrenamtlich sechs Monate in Nepal, arbeiteten als Projektmanager, bekamen kurz darauf eine Festanstellung.

"Wir sammelten Erfahrungen. Das war viel Neuland für uns, die Kultur, die Behörden", erinnert sich Steffen Schöley. "Das war harte Arbeit und schon ziemlich spannend."

Der Urlaub war längst vorbei. Eine Entscheidung musste fallen. "Der Kontakt mit den Menschen hat uns zum Bleiben animiert", berichtete die Klötzerin. Allerdings wollte das Paar nicht mehr mit der Hilfsorganisation zusammenarbeiten. Grund: "Wir haben gesehen, wie wir Vereinsarbeit nicht machen wollen. Wir hatten eigene Vorstellungen, sind Mittler vor Ort, nicht der, der sich bereichert", begründet Schöley. Ende 2010 hörten beide in ihre Herzen: "Es geht nicht, dass wir gehen", haben sie sich gesagt. "Wir hatten das Gefühl, jetzt können wir durchstarten, ein Jawoll-Gefühl."

"LiScha ist Sinnbild für das Leben in Nepal"

Am 12. Februar gründeten sie ihren Verein "LiScha" Himalaya. LiScha steht für Licht und Schatten, die beiden Pole im Leben. "Sinnbild für das Leben in Nepals vergessenen Regionen und unsere Hoffnung, ein kleines Licht in eine der Schattenregionen dieser Welt tragen zu können", erläutern Jährig und Schöley. 19 Mitglieder aus Klötze, Braunschweig, Hannover, Dresden, Leipzig und Magdeburg hat der Verein. In Nepal arbeiten sie mit einem Partnerverein zusammen.

Daniela Jährig und Steffen Schöley leben inzwischen den größten Teil des Jahres in Nepal. Dort haben sie es einerseits mit freundlichen Menschen zu tun, andererseits mit Schmutz und traditionellen Zwängen. "In unserer Hilfsregion spielt sich das Leben auf der Straße ab, das Miteinander ist viel stärker als hier", erzählt die 41-Jährige. Stromausfälle sind ein normaler Zustand, 16 Stunden am Tag ohne Energie sind keine Seltenheit. "Laptop ohne Akku geht dort gar nicht", sagt Steffen Schöley. In ihrer Projektregion, 1000 bis 1300 Meter über dem Meeresspiegel, gebe es überhaupt keinen Strom. In diese Gegend verirrt sich auch kein Tourist, "weil es noch nicht Himalaya ist", sagen beide. Ganz arme Menschen würden dort leben. "Sie haben keine Toilette, leben in Hütten aus Ästen, der Regen läuft durch, die Menschen werden krank." Schöley: "Kein Tier in Deutschland hat so etwas als Stall."

Während der Trockenzeit steht extrem wenig Wasser zur Verfügung. 90 Prozent der Frauen haben nie eine Schule von innen gesehen. Mädchen werden in Bordelle nach Indien verkauft. Die ganze Familie muss auf den Feldern hart arbeiten - auch die Kinder.

Anfangs war das Leben in Nepal für die Klötzerin und ihren Mann nicht einfach. Sie übernachten im Lehrerzimmer einer Schule und leben von Erspartem. An die Toilettensituation mussten sie sich erst gewöhnen. Mit dem Essen war das einfacher: "Beim Essen waren wir schon immer sehr offen. Für uns Vegetarier ist die indische Küche der Himmel", schwärmt Daniela Jährig. Fleisch sei dort Luxus, Gemüse, Reis, Kartoffeln kommen auf die Teller. "Schwarzbrot vermissen wir sehr", sagt Daniela Jährig.

Die zwei Besuche pro Jahr in der Heimat sind nicht nur immer ein geografisches Hin und Her, sondern auch ein emotionales. "In Deutschland dreht man den Wasserhahn auf und kann das Wasser trinken. Solche Vorzüge haben wir jetzt richtig schätzen gelernt", sagt Steffen Schöley. "Auch die Blüten überall." Und: "Die Beziehungen zu anderen Menschen sind jetzt viel intensiver. Wir haben unsere Familien noch einmal ganz anders kennengelernt."

Das beide solche Gefühle spüren dürfen, dazu trugen auch Menschen in Nepal bei. "Wir haben von ihnen gelernt, dass es im Leben auch ohne 100-prozentige Absicherung geht." Die Nepalis lassen sie das Leben ganz intensiv spüren. "Lachen, weinen, sterben liegen nah beieinander", sagen sie. "Wir haben noch nie so intensiv gelebt wie in Nepal. Man muss ständig wach sein."

Jährig und Schöley haben ihren Weg gefunden. Oder besser: "Der Weg hat uns gefunden und uns gewollt", sagen sie. Auch wenn er beschwerlich ist. Einmal retteten sie einem 28-Jährigen das Leben. Der Mann lag drei Monate mit entzündeten Verbrennungen in seiner Hütte. Sie schleppten ihn mit Helfern viele Kilometer zum Arzt. Sie sagen: "Die beschwerliche Zeit in Nepal hat sich schon gelohnt, weil wir einem Menschen das Leben retten konnten."