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Erinnerungen an den "Langen Lulatsch" / Einstige Beschäftigte nehmen ihren damaligen Arbeitsplatz unter die Lupe Ehemalige inspizieren Turm und Technik

Von Hans Schernikau 07.01.2014, 01:16

Ehemalige Beschäftigte des Fernsehturms Dequede schauten wieder an ihrem damaligen Arbeitsplatz vorbei.

Dequede l Die Ehemaligen erinnern sich gern an die Zeit ihrer Tätigkeit im "Langen Lulatsch" der Altmark.

Für die meisten begann sie bereits Ende der 1950er Jahre. In der Zeit nämlich, als das kleine Dörfchen Dequede in den Fokus des regionalen und spektakulären Baugeschehens in seine Nähe rückte. Für Diplom-Ingenieur Heinz Wenisch aus Osterburg indes begann sie bereits im Jahre 1956 - nämlich als verantwortlicher Bauingenieur und danach als "Chef von\'s Ganze". Die längste Zeit seines verantwortungsvollen Arbeitslebens, über 36 Jahre lang, war Dequede sein Arbeitsplatz beim Bau des ersten Fernsehturms in der damaligen DDR überhaupt.

Ich durfte beim letzten Treff dabei sein. Auch ich kann mich genau an die Zeit erinnern. Deshalb nämlich, weil für mich damals die "heiße Phase" zur Vorbereitung auf die Reifeprüfung begann. Jahrelang radelte ich am Wochenende vorbei am "Ort des Geschehens" von Krüden-Gerichsee über Losse und Krevese in die damalige Kreisstadt Osterburg. Dequede war für mich eben nur ein unscheinbares Dörfchen an der Strecke. Das änderte sich aber schlagartig, als nahe der Straße Bäume gerodet und ein mächtiges Loch - immerhin viereinhalb Meter tief - gebuddelt wurden. Die Altmark würde einen Fernsehturm bekommen, war das Ereignis bald in aller Munde.

Richtfunkring bis Berlin schließen

Doch warum gerade in Dequede? Heinz Wenisch dazu: "Es wurde ganz einfach notwendig, im Rahmen des weiteren Ausbaus des Fernseh- und UKW-Netzes im Bereich der Altmark eine Betriebsstelle zu errichten". Noch wichtiger wurde es, den Richtfunkring von Rostock über Schwerin bis nach Berlin zu schließen und auch später eine grenznahe Übergabestelle für Intervision und Eurovision zu haben.

Am 12. Oktober 1956 legten dafür Prominente den Grundstein. Natürlich dabei auch der damalige Bürgermeister Noak aus dem Ort. Bereits am nächsten Tag begannen Bauarbeiter damit, den ersten Betongang zu fertigen. Dann ging es Schlag auf Schlag. Schon im Mai des folgenden Jahres erreichte der Betonschaft eine Höhe von über elf Metern und Ende August die stattliche Höhe von knapp 100 Metern. Letztendlich erreichte der Betonschaft eine Höhe von 124 Metern und schließlich mit den Antennen und Trägern 180 Meter.

Zwischenzeitlich wurde natürlich auch der Ausbau mit der entsprechenden Technik vorangetrieben, so dass im Juli 1959 Firma Klaus aus Osterburg in 144 Metern Höhe eine Antenne für einen Fernsehkanalumsetzer montieren konnte. Damit verbesserte sich vor allem der Fernsehempfang im Bereich Seehausen und der gesamten nördlichen Region. Bereits am 25. Oktober 1959 war es dann soweit, dass der erste UKW-Sender Dequede das Programm des Deutschlandsenders abstrahlen konnte. Ihm folgten kurzzeitig danach Fernsehsender, später auch in Farbe, UKW-Sender auf Stereoprogramm, und schließlich die Erweiterung der Richtfunktechnik im Transitverkehr zur Möglichkeit der Abstrahlung innerhalb der Eurovision. Vor allem in den 80er Jahren erfuhr die Richtfunktechnik eine bedeutende Verbesserung mit Computer-Überwachung. Immer wieder wurde neuere Technik eingebaut, so dass schließlich die personelle Überwachung nicht mehr notwendig wurde.

Und das alles sollte wirklich funktionieren? Keiner mehr verantwortlich, wenn der Strom ausfällt und gar der Schiffsdiesel mit dem Generator zur Ersatzstromerzeugung streikt? Und schließlich keiner, der entsprechende Techniker und höhere Verantwortliche alarmieren kann. Aber es hat computergesteuert funktioniert, auch heute noch! Lediglich noch zwei Spezialisten betreuen den Turm: Wolfgang Bartsch und Thomas Eggert. Ihr Aufgabengebiet erstreckt sich sogar auf ganz Sachsen-Anhalt.

576 Stufen bis ganz nach oben

Theoretisch kann ich nun schon mit jemandem mithalten, der noch völlig unbeleckt ist - aber Anschauliches, Handfestes prägt sich eben viel besser ein. Also wage ich die Frage, ob man alles auch in Augenschein nehmen kann. Telefonisch komme ich nach Bartsch auch mit dem Teamleiter, Diplomingenieur Erhard Heinecke, ins Gespräch und - es klappt! Schon am nächsten Tag werden wir - mit mir Heinz Wenisch, Ulf Ziegenbein, Arnd Patitz und Ernst Röhl praktisch als Vertreter der anderen - von beiden an Ort und Stelle begrüßt.

Bei einer Tasse Kaffee informiert der Teamleiter aus Bernburg über die neuesten Vorhaben für die Zukunft. Ich kann nur die Ohren spitzen und freue mich schon auf die Fahrt in die einzelnen Etagen und bis (fast) nach ganz oben - ansonsten 576 Stufen. Nur ein paar enge Wendeltreppenstufen und die jetzt mit diversen Verstrebungen für Parabolspiegel der unterschiedlichsten Art bestückte ehemalige Plattform gewährt einen Blick über Dequede weit nach Norden, den Windmühlenpark bei Krevese und bei klarem Frostwetter bis hin zum Brocken. Herrlich!

In den einzelnen Etagen wohlgeordnete Sender und Empfänger für Rundfunk und Fernsehen, ganze Kabelbündel, Leitungen für die Kühlung. Für den Laien eigentlich unvorstellbar, aber auch hochinteressant. Ich weiß jetzt jedenfalls, wie viel Mühe, Forschung, tatkräftige und gewissenhafte Arbeit geleistet wurde und immer noch wird, damit wir ständig in Ton und Bild weltweit informiert und unterhalten werden.