1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Osterburg
  6. >
  7. "Ich wollte Lokführer werden"

Fritz Bindhack aus Goldbeck hat seine Erinnerungen aufgeschrieben "Ich wollte Lokführer werden"

Von Anke Kohl 23.07.2011, 06:29

"Die wissen doch gar nicht, was auf sie zukommt, wenn das passiert, was sie propagieren", sagt Fritz Bindhack und meint damit die jungen Menschen, die der rechten Szene anhängen und die Ideologie des Dritten Reiches verherrlichen. Der 96-Jährige weiß, wovon er spricht. Er ist Zeitzeuge des 2. Weltkrieges.

Goldbeck. Manche Dinge ändern sich nie. Als kleiner Junge wollte Fritz Bindhack Lokführer werden. Die Kleinbahn, die durch Goldbeck fuhr und deren Kessel mit Kohlefeuer unter Druck gesetzt wurde, als er dort als etwa Achtjähriger lebte, faszinierte ihn. Als er später in der dortigen Gastwirtschaft der Verwandschaft oft dem Kellner über den Weg lief, der immer Kleingeld in der Hosentasche hatte, wollte er Gastwirt werden - Jungenträume eben. Schließlich begann Fritz Bindhack, geboren im Mai 1915, in Tangermünde eine Lehre als Drogistengehilfe. "30 Mark für Kost und Logis hatten wir als Lehrlinge da zu zahlen. Und wenn unser Taschengeld alle war, sagte der Chef, dass wir wieder was mitbringen müssen", erinnert sich der 96-Jährige. Harte Jahre erlebte Fritz Bindhack. Es war eine gefährliche Zeit von 1930 bis 1933 in der "roten" Arbeiterstadt Tangermünde und mit dem aufkommenden Nationalsozialismus.

Als in Osterburg eine Drogerie eröffnete, ging der gerade ausgebildete Drogist zurück in seine Geburtsstadt. Ein Jahr später dann zog es ihn nach Halberstadt. "Da machte gerade die Drogerie am Dom auf. Die hatte eine separate Kasse. Das war was ganz Modernes", nickt der Goldbecker noch immer anerkennend. Der Aufforderung zum Arbeitsdienst zu gehen, wollte der junge Mann nicht nachkommen. "Dann geh ich lieber zur Armee. Da muss ich ja irgendwann sowieso hin", dachte er und verpflichtete sich für ein Jahr. Er blieb dann noch ein weiteres Jahr und wäre als Unteroffizier der Reserve entlassen worden. Doch die Aussichten als Drogist in der freien Wirtschaft waren denkbar schlecht, erklärt Fritz Bindhack. Und irgendwie drängen sich Vergleiche mit der jüngeren Gegenwart auf, als der Senior erzählt: "Dann hat man mich gefragt, ob ich nicht auf zwölf Jahre verlängern will. Da boten sich Aussichten. Eine Stellung als Beamter oder 16000 Reichsmark, wenn man die Stelle nicht wollte, gab es nach Ablauf der zwölf Jahre. Zusammen mit den 6000 Reichsmark, die ich vom Verkauf unseres Hauses in Osterburg hatte, hätte ich mich dann mit einem eigenen Laden selbständig machen können", rechnet der agile Senior vor. Dieses materielle Argument gab den Ausschlag und der Drogist Fritz Bindhack wurde Soldat für zwölf Jahre.

Doch dann begann der Krieg. "Als Frankreich der Krieg erklärt wurde, waren wir dafür. Deutschland musste nach dem Ersten Weltkrieg jedes Jahr mehrere Millarden an Frankreich zahlen. Das sollte aufhören, dachte sich die junge Generation", so Bindhack. In Frankreich wurde er leicht verwundet. Das Abzeichen, das er dafür erhielt, bewahrt er auch heute noch auf. Eines Tages kam dann der Marschbefehl für seine Maschinengewehrkompanie nach Osten. "Jetzt beginnt der Zwei-Fronten-Krieg", habe er damals gedacht, erzählt der Goldbecker. "Das ist das Ende", war seine Überzeugung. Von da an habe er keinen Brief in die Heimat mit dem üblichen Gruß unterschrieben, versichert er. Soldatenglück hätte er von Stund an nur noch auf Karten und in Briefen gewünscht und damit geendet.

Plastisch sind seine Erinnerungen, von denen Fritz Bindhack nicht nur erzählt, sondern die er auch in einem Buch niedergeschrieben hat. "Zeitzeuge Zweiter Weltkrieg" titelt es. "Es sind belegbare Tatsachen und Erinnerungen", erklärt er und widmet seine Aufzeichnungen dem Gedenken aller Opfer des Zweiten Weltkrieges. "Es gibt so viele Bücher über Generäle und Feldzüge, aber vom wirklich erlebten Alltag der Soldaten berichtet wenig Literatur", ist Bindhack überzeugt.

Von seinen Jahren im Krieg, dem Frankreich- und dem Russlandfeldzug berichtete Bindhack unter anderem schon den Schützen des Werbener Schützenvereins. Auch seiner Enkelin Laura, die ihn fast täglich besuchen kommt, hat er von vielen Erlebnissen erzählt.Berichte von Zeitzeugen werden rar. Die geschriebene Geschichte wird irgendwann, in absehbarer Zeit, alles sein, das bleibt.

Und noch immer träumt Fritz Bindhack vom Krieg - von dem Grauen - von eigentlich Unfassbarem - noch immer - nach 70 Jahren.